Kritik zu Sleep Tight
Von den Taten eines sehr, sehr unglücklichen Mannes: Der Regisseur Jaume Balagueró, mit seinem [Rec]-Filmen als Teil der neuen spanischen Horrorwelle bekanntgeworden, mzwingt den Zuschauerm in die Perspektive eines »Glücksräubers
César ist nicht einfach nur unglücklich. Dafür müsste er zumindest einmal so etwas wie das Gegenteil, also ein Gefühl von Glück oder zumindest Zufriedenheit, erfahren haben. Doch dieser einsame Mann, der seine Tage als Concierge in einem alten Büro- und Wohnhaus in Barcelona fristet, kennt – so behauptet er auf jeden Fall – weder das eine noch das andere. Für ihn gibt es nur Neid und Hass, Wut und den überwältigenden Wunsch, das Glück der anderen zu zerstören.
Dabei sieht es erst so aus, als hätte der von Luis Tosar gespielte César gar keinen Grund zu klagen. Die Bilder widersprechen seinem Voice-over zwar nicht, deuten aber doch eine andere Wirklichkeit an, in der nicht alles trist und hoffnungslos ist. Als Césars Wecker um fünf Uhr morgens klingelt, liegt er neben der überaus attraktiven Clara (Marta Etura). Während er vorsichtig aufsteht und ins Bad geht, schläft sie friedlich weiter. Ein Idyll von Zweisamkeit? Der Anschein täuscht.
Diese Bilder morgendlicher Harmonie sind Lug und Trug. Jaume Balagueró wird sie wieder aufgreifen und dabei dem Betrachter eine ganz andere Perspektive eröffnen. Clara weiß gar nicht, dass César neben ihr schläft. Abend für Abend dringt er in ihre Wohnung ein, versteckt sich unter dem Bett und betäubt sie, sobald sie eingeschlafen ist. Dann hat er, dieser Agent des Missvergnügens, freie Bahn und kann machen, was er will. Dabei kennt er nur ein Ziel: Clara ihre Zufriedenheit ein für allemal zu rauben, wofür er zu immer drastischeren Mitteln greift.
Eine auf ihre Art bemerkenswerte Konsequenz lässt sich Balagueró kaum absprechen. Wie sein finsterer Antiheld schreckt auch der spanische Filmemacher in dem Bemühen, den Betrachter zu verstören, vor nichts zurück. Unbeirrt bleibt er bei César. Sleep Tight kennt nur dessen Welt und dessen verzerrte Sicht der Dinge. Ein Entkommen ist unmöglich. Der Zuschauer soll sich nach und nach mit diesem Concierge des Bösen identifizieren, soll gewisse Aspekte womöglich sogar in sich selbst wiedererkennen.
Nur kann diese Art von Manipulation auch sehr schnell einen überaus schalen Eindruck hinterlassen. So wie César die unwissende Clara misshandelt und missbraucht, so verfährt Balagueró letztendlich mit seinem Publikum. Er nimmt ihm die Wahl und zwingt ihm eine Sicht der Dinge auf, die alleine im Kopf eines zutiefst gestörten Mannes verankert ist. Luis Tosar verkörpert diesen César mit einer derart monotonen Grimmigkeit, dass er von Anfang an wie ein aus der Welt Gefallener wirkt, einer, den nichts und niemand mehr erreicht. Auch das ist konsequent. Césars Hass und Ekel sind Teil einer psychopathologischen Deformation, einer Krankheit, die das Monströse im Menschen verortet. Nur erhält der Film dadurch eine biologisch- deterministische Komponente. César ist krank und dafür kann niemand etwas. Die gesellschaftliche Komponente wird ausgeblendet. Dabei könnte sie ein zentraler Aspekt dieser Konstellation sein. Schließlich ist dieser Hausmeister ein sozial ausgegrenzter und ausgebeuteter Mann, für den das materielle Glück der Hausbewohner tatsächlich immer unerreichbar sein wird.
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