Kritik zu Ruben Brandt
In diesem Animationsfilm wird Kunst lebendig: Ein von bestimmten Gemälden wie besessener Psychiater inszeniert einen Raubzug durch die berühmtesten Museen Europas – zur Selbstheilung
Pablo Picasso, Sandro Botticelli – und dazu eine Verfolgungsjagd? Hehre Museumskunst, verknüpft mit den Niederungen der Populärkultur? Das funktioniert, und zwar überraschend gut. In seinem furios inszenierten Animationsfilm erzählt Milorad Krstić von einem Psychiater, der selbst einen Psychiater braucht. Ruben Brandt ist ein prominenter Psychologe, der seine Patienten mit einer eigens entwickelten Kunsttherapie heilt. Aber er selbst ist von der Kunst besessen, und zwar buchstäblich. In seinen Träumen wird er heimgesucht von Gestalten aus berühmten Gemälden, die sich selbstständig machen und ihm nach dem Leben trachten: Kunst wird für ihn zum puren Horror.
Selbstheilung, so Sigmund Freud, ist unmöglich – sonst gäbe es ja keine psychische Krankheit. Ruben Brandt versucht, aus diesem hermetischen Zirkel auszubrechen, und zwar mit einer extravaganten Therapie. Brandt heuert vier seiner Patienten an, darunter die Kleptomanin Mimi. Sie sollen jene Bilder stehlen, die dem Psychologen so sehr zusetzen. In der Folge werden 13 weltberühmte Gemälde aus namhaften Museen geklaut, darunter dem Louvre, den Uffizien, der Eremitage, der Tate Gallery und dem Musée d'Orsay.
Was in der Zusammenfassung nach einem gediegenen Ausflug in die Kunstgeschichte klingt, erweist sich als kurzweiliger Parforceritt. Die Ästhetik der jeweiligen Werke fließt dabei ein in den jeweils durchgeführten Raubzug. Man wird erinnert an den Animationsfilm »Loving Vincent« von Dorita Kobiela und Hugh Welchman, der die pointilistische Ästhetik eines Van-Gogh-Gemäldes Filmbild für Filmbild auf die Kinoleinwand übertrug. Im Gegensatz aber zu dieser Filmbiografie im impressionistischen Stil – deren Machart anfangs begeistert, nach kurzer Zeit aber doch etwas langatmig erscheint – erscheint »Ruben Brandt, Collector« vielschichtiger.
Milorad Krstić, in Slowenien geboren und später nach Ungarn ausgewandert, lässt in seinem Debüt den Stil der einzelnen Bilder, um die es geht, sowohl in die erzählte Geschichte als auch in die Bildgestaltung einfließen. So führen die Bilderstürmer einmal sogar eine Performance auf, um so vor den Augen der Betrachter ein Gemälde aus dem Rahmen schneiden zu können. Einer der Protagonisten ist zweidimensional wie ein Blatt Papier. Die anderen sehen aus wie Figuren, die sich aus einem Picasso-Gemälde davongemacht haben. Der Kubismus des spanischen Avantgardisten, bei dem es darum geht, verschiedene Perspektiven auf einen Gegenstand synchron ineinander zu spiegeln, bestimmt auch die Gestaltung dieses kurzweiligen Abenteuer-Animationsfilms.
Das Erhabene der Kunst, spürbar etwa in Edward Hoppers traumartigem Tableau »Nighthawks« von 1942, wird nicht einfach nur zitiert und verwurstet, sondern kreativ entstaubt. Selbst wenn man nicht jedes einzelne Bild kennt, spürt man instinktiv: »Ruben Brandt, Collector« ist ein transzendenter Film über Kunst, der selbst zum Kunstwerk wird – ohne verkopft zu sein.
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