Kritik zu Premium Rush
Drahtesel als Actionvehikel: Ein Fahrradkurier und ein irrer Cop liefern sich eine atemlose Jagd durch New York
Ich kann nicht bremsen – und ich will es auch gar nicht«, lautet Wilees Motto für den Job und für sein ganzes Leben. Joseph Gordon-Levitt spielt den draufgängerischen Fahrradkurier, der ein sogenanntes Fixie sein Eigen nennt – ein Bike ohne Gangschaltung oder Bremse. Jede Tour durch die Straßenschluchten Manhattans ist für ihn ein Spiel mit der Gefahr, und für ihn wie für den Film ist die Stadt lediglich ein gigantisches Velodrom, mit Autos, Ampeln und Fußgängern als Hindernissen, zwischen denen es sich möglichst geschickt hindurchzuschlängeln gilt.
David Koepp, bisher hauptsächlich als Drehbuchautor von Filmen wie Jurassic Park oder Sam Raimis Spider-Man in Erscheinung getreten, erzählt nahezu in Echtzeit, durchbrochen nur von einigen Rückblenden, wie dieser Wilee einen scheinbar alltäglichen Eilauftrag (»Premium Rush«) annimmt und unversehens zum Gejagten wird. Hinter dem geheimnisvollen Brief, den er ausliefern soll, ist nämlich auch ein sinistrer Cop her, der dringend seine Spielschulden begleichen muss. Diese jähzornige Gestalt am Rande des Wahnsinns wird von Michael Shannon gespielt, und obwohl man ihn nun wirklich oft genug in verwandten Rollen gesehen hat, ist er zweifellos die interessanteste und witzigste Figur des Films. Die anderen bleiben so formelhaft wie der Plot, wie etwa Wilees Rivalität mit dem angeberischen Manny, der ihm seine Freundin Vanessa ausspannen will, und wie die coolen Sprüche, die man sich von Bike zu Bike zuruft, während man mit 50 Sachen und ohne Bremse auf einen querstehenden Truck zurast.
Aber um Charaktere geht es Premium Rush natürlich nicht. Die pure Kinetik, der Geschwindigkeitsrausch, der Weg durch die Stadt ist das Ziel. Und das vermittelt der Film phasenweise ganz packend: Mit halsbrecherischen Sequenzen voller körperbetonter, »echter« Stunts statt visueller Effekte, mit kurzen Brennweiten, hoher Schnittfrequenz und einem treibenden Soundtrack erzeugt er ein Gefühl für den Wahnwitz des Hochgeschwindigkeitsradelns. Stilistische Kabinettstückchen wie die eingestreuten Google-Earth- Blicke auf Manhattan oder Schnittfolgen, in denen Wilee verschiedene Optionen des Umfahrens von Hindernissen – und ihre jeweiligen Folgen – vor seinem inneren Auge durchspielt, wirken dagegen eher überflüssig.
Überflüssiges fährt Koepp allerdings zu zahlreich auf. Je länger der Film dauert, desto mehr Ballast schleppt er mit sich herum, auf Kosten der Dynamik und der ironischen Nonchalance, die er anfangs an den Tag legt. So anbiedernd wie bedeutungslos werden da Stichworte wie »Tibet« in die Runde geworfen, einfach deshalb, weil es so schön engagiert klingt. Die Schaumkrone bildet das Kitschbild einer Fahrradkurier-Subkultur, in der jeder für jeden in bedingungsloser Solidarität einsteht – eine moderne Ritterkaste auf Drahteseln.
So innovativ Radfahrer als Actionhelden sind, und so sympathisch schadstoffarm ihr Nervenkitzel auch ist – irgendwann hat Premium Rush einen allzu hohen Grad an Albernheit erreicht, und man wähnt sich weniger in einem New Yorker Actionthriller denn im neuen Abenteuer der Vorstadtkrokodile.
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