Kritik zu Before, Now & Then
Indonesische Geschichte im Spiegel privater Gefühle: Kamila Andini stellt eine vermeintlich passive Heldin ins Zentrum, hinter deren vermeintlicher Beherrschtheit Widersprüche aufbrechen
Ein Algorithmus würde nach Kamila Andinis »Before, Now & Then« wahrscheinlich »In the Mood for Love« von Wong Kar-wai empfehlen. Wie oft bei solchen Vorschlägen sollte man ihn nicht unbedingt als Aufforderung für ein Double Feature verstehen. Der direkte Vergleich könnte vom speziellen Zauber, den Andinis Film entfaltet, nur ablenken. Gleichzeitig gilt: Wer für Wong Kar-wais atmosphärische Sehnsuchts-Story empfänglich war, den wird »Before, Now & Then« kaum unberührt lassen.
Ähnlich wie bei Wong Kar-wai ist es nicht die Handlung, die den Film ausmacht, sondern seine Ästhetik der Melancholie: der gleichsam wehmütige Blick auf Kleider und Stoffe, die schweigend-ausdrucksvollen Gesichter wie hinter Gaze, das stimmungsvolle Rauchen einer Zigarette im Dunkeln. Die eigentliche Geschichte ereignet sich dazu wie im Hintergrund. In der Auftaktszene ist Nana (Happy Salma) in den Wirren der indonesischen Nachkriegszeit auf der Flucht. Ihr Vater wurde umgebracht, ihr Mann ist verschollen. In einem Moment des Innehaltens sieht sie seine schemenhafte Gestalt zwischen den Bäumen im Dschungel. Ängstlich fragt sie sich, ob sie sein Antlitz schon vergessen habe.
Fünfzehn Jahre danach sieht man sie als Frau eines älteren, reichen Mannes in einem komfortablen Leben angekommen. Während im Radio von General Suhartos Machtübernahme die Rede ist – wir schreiben das Jahr 1967 –, wird die Ehefrau und Mutter von vier Kindern vielfach von Träumen heimgesucht. Die Verluste der Vergangenheit lassen sie nicht zur Ruhe kommen. Von ihrer gesellschaftlichen Umgebung wird sie kühl und von oben herab behandelt. Dann findet sie ausgerechnet in der neuen Geliebten ihres Mannes, Ino (Laura Basuki), eine Verbündete. Lang Verschwiegenes kann sie ihr gegenüber aussprechen, und wie zwangsläufig bricht sich eine alte Sehnsucht Bahn.
Von Traumlogik durchsetzt, nutzt Andini die von Gewalt geprägte Historie Indonesiens als Folie für eine Geschichte der Gefühle, in der die Themen Kolonialismus, Autokratie und Befreiung wie in einem Zerrspiegel auftauchen und Schatten werfen.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns