Kritik zu Nicht dran denken
In Gianni Zanasis Familienkomödie will ein 35-jähriger Punkrocker sich bei Eltern und Geschwistern in der heimatlichen Kleinstadt vom Großstadtleben erholen und muss feststellen, dass ihm dort die Probleme erst recht über den Kopf wachsen
Jeder hat sie schon mal erlebt, Tage, an denen einfach alles schiefgeht. Gefilmt werden daraus köstliche Eingangssequenzen für Komödien über Frauen und Männer in Lebenskrisen. Wie hier, wo man zu Beginn Stefano (Valerio Mastandrea) beim Auftritt mit seiner Punkband sieht. Die Stimmung ist nicht allzu gut, weshalb der Leadsänger auf die Idee kommt, seine Fans mit dem notorischen Sprung in die Menge zu testen – doch die weichen zurück und lassen ihn einfach auf den Boden fallen. Das Konzert wird abgebrochen, Stefano kommt früher nach Hause und begegnet im Flur der Wohnung, die er mit seiner Freundin teilt, dem Musiker einer anderen Band. Doch Stefano ist zu entnervt und zu lethargisch, um sich aufzuregen. Nach einer unwirtlichen Nacht im Auto kommt ihm plötzlich die Idee, weg von Rom und seiner vor sich hin dümpelnden Musikerkarriere zu seinen Eltern in die Kleinstadt zu fahren. Dort angekommen, muss er wie ein Teenager über die Hecke steigen, weil die Klingel kaputt ist. Spätestens da merkt er es, und auch wir sehen es: trotz kinnlanger Kotteletten, Zorro-T-Shirt und schwarzen Röhrenjeans – Stefano ist mit seinen 35 Jahren kein junger Mann mehr.
Kurz darauf, als er sich gerade alle Mühe gibt, den Kindern seines jüngeren Bruders ein großzügiger, zu jedem Abenteuer bereiter Onkel zu sein, klopft ihm der 7-jährige Neffe väterlich(!) auf die Schulter und sagt so etwas wie: »Du wirst es schon schaffen!« Kann es eine größere Demütigung geben?
Der bislang bei uns leider gänzlich unbekannte Valerio Mastandrea spielt Stefano, und schon allein wegen seines Auftritts lohnt sich dieser Film. Mit fein dosierter Selbstironie gibt er den Berufsjugendlichen, der zwar noch genau weiß, warum er aus der Enge von Kleinstadt und Familie ausgebrochen ist, inzwischen aber erkennen muss, dass er es gar nicht so weit gebracht hat, wie alle von ihm denken. Und mit stiller Verzweiflung erfüllt ihn, dass sein Leben als sich selbst verwirklichender Familienrebell gar nicht so viel besser verläuft als das seines jüngeren Bruders, der brav geheiratet hat und den Familienbetrieb übernahm. Zumal Letzterer die viel interessantere Lebenskrise hat: Seine Frau will die Scheidung und der Betrieb droht pleite zu gehen. Zusammen mit der Schwester, auch sie in einer gänzlich unglamourösen Lebensphase, in der sie das Studium für einen Tierpflegejob aufgegeben hat, ergeben sie das perfekte Familienporträt einer vollkommen durchschnittlichen, normal-deprimierten Mittelstandsfamilie.
Das Schöne an »Nicht dran denken« ist, dass er die Probleme seiner Figuren ernst nimmt, ohne sie ernsthaft lösen zu müssen. Obwohl der Film komödiantisch offenbart, dass die Geschwister gerade in dem Moment, als sie wie »Erwachsene« den Betrieb ohne Hilfe von Papa retten wollen, hoffnungslos kindisch werden, stellt er sich nie gegen sie. Stefano spielt durch, was hätte sein können, wenn er dageblieben wäre, und macht die zwiespältige Erfahrung, dass er wohl versagt hätte. Aber auch das ist kein wirkliches Drama. Man muss nicht alles können, so ungefähr lautet die Botschaft dieses stimmungsvollen kleinen Films.
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