Kritik zu Mein Name ist Klitoris
Offen und direkt versucht die Dokumentation im Gespräch mit zwölf jungen Frauen über das weibliche Sexualorgan aufzuklären und dabei auch die Vorstellungen von Geschlechterrollen kritisch zu hinterfragen
Form und Funktion der menschlichen Sexualorgane sind in Belgien wie in vielen anderen Ländern ein Thema im Schulunterricht der höheren Klassen. Die Klitoris kommt dabei allerdings nicht vor, berichten junge Frauen in diesem Film. Deshalb können die beiden Mädel vor der Kamera auch wenig zu diesem Teil ihres Körpers sagen, obwohl sie mit Mitte zwanzig durchaus sexuelle Erfahrungen gemacht haben. Und in dem großen, bunt illustrierten Buch der Sexualaufklärung, das eine von ihnen in die Kamera hält, sind unter dem Stichwort Klitoris nur die äußeren Vulvalippen abgebildet, und im Text ist von einem erbsengroßen Organ die Rede. Da mischt sich eine Stimme aus dem Off in die Präsentation ein und erklärt, dass das zu großen Teilen im Körperinnen liegende Organ in Wirklichkeit etwa die Größe eines Penis habe. Oooh! Ungläubiges Staunen mischt sich mit lautem Gelächter.
Es sind insgesamt zwölf junge Frauen, die in »Mein Name ist Klitoris« über ihr Verhältnis zum Sex in die Kamera erzählen. Meist sitzen sie dabei auf dem eigenen Bett, der Ton ist locker und offen, humorvoll und direkt, adressiert aber auch Schwieriges, Schamhaftigkeiten und Tabuzonen. Dabei wandert die Aufmerksamkeit von den Sexualorganen selbst über die fehlende öffentliche Wahrnehmung weiblicher Selbstbefriedigung bis zu den vielfältigen Formen des Orgasmus. Auch Schönheitsideale, rassistische Klischees und die weibliches Selbstbewusstsein hindernde Gratwanderung zwischen den Zuordnungen von »Flittchen« und »asexuell«. Während die Meinungen zum Thema Pornos sehr unterschiedlich sind, gibt es allgemeine Einigkeit über die Bedeutung von offener Kommunikation und gegenseitigem Konsens beim sexuellen Tun.
Manchmal – wie im anfangs erwähnten Beispiel – erweitert sich der Monolog ins Mehrparteiengespräch. Und nach etwa einer halben Stunde kommen erstmals auch die beiden ebenfalls noch jungen Filmemacherinnen ins Bild, die mit Kamera und Stativ in Augenhöhe ihrer Gesprächspartnerinnen an der Bettkante sitzen. Lisa Billuart-Monet und Daphné Leblond wollten für andere den Film machen, den sie selbst vor ein paar Jahren so sehr vermisst hatten, sagen sie in Statements. Und wirklich ist ihr stark dialogorientierter Film auch mehr als zielgruppenorientiertes Aufklärungsstück zu verstehen denn als gesellschaftlich kulturhistorische Erkundung wie etwa zuletzt der Dokumentarfilm »Vulva 3.0« von Claudia Richartz und Ulrike Zimmermann.
Material, das eigentlich für sich selbst spricht, aber sicherlich auch in den Unterricht eingebunden werden kann. So hat der Der-Filmverleih-Verleih dem Film dann auch ein medienpädagogisches Begleitheft an die Seite gestellt, das Lehrer:innen die schulische Planung sehr erleichtern dürfte. Die sollte selbstverständlich auch Jungs mit einschließen. Schade nur, dass ausgerechnet im Kontext der Sexualität im Jahr 2021 zwar diverse Körpernormen und sexuelle Orientierungen vorkommen, das Geschlecht selbst aber wie selbstverständlich nur dual als Mann und Frau. Eine verpasste Chance.
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