Kritik zu Marie und die Schiffbrüchigen
Verwirrungen der Gefühle: Sébastien Betbeder (»2 Herbste, 3 Winter«) nimmt einmal mehr die Lässigkeit aufs Korn, mit der oftmals das Glück des Lebens verspielt wird
Der Film fädelt seine Geschichte von hinten durch die Brust ins Auge ein und spinnt sie sodann etwas zwangsoriginell auf verschlungenen Pfaden wandelnd weiter. Aber was bleibt Regisseur und Drehbuchautor Sébastien Betbeder auch anderes übrig, ist seine Geschichte doch im Grunde ein alter Hut. Nein, vielmehr der alte Hut schlechthin: eine Liebesgeschichte nämlich. Angesiedelt zudem in Paris, bekanntlich dieses Gefühls Welthauptstadt. Während also mal wieder ganz Paris von der Liebe singt, erzählt uns Siméon in die Kamera hinein, woher er kommt und was in seinem bisherigen Liebesleben bereits alles schiefging. Simeón zählt zu jenen nicht erwachsen werdenden Jungmännern, die seit geraumer Zeit Kino und Welt bevölkern. Er sieht ein wenig aus wie ein treudoofer Cockerspaniel, niedlich, ungefährlich, tollpatschig. Einer, der kein Wässerchen trüben kann und daher eher unbeabsichtigt in seinem und anderer Leute Leben herumpfuscht.
Siméon nun findet eines Tages die Brieftasche von Marie – und ohne noch recht zu wissen, was er da eigentlich tut, folgt er ihr auf die Ile de Groix, gefolgt wiederum von Maries Ex Antoine und Mitbewohner Oscar, die auch nicht so recht wissen, was sie da tun. Auf der Insel kulminieren schließlich die Ereignisse.
Siméon ist einer der titelgebenden Schiffbrüchigen, zu denen sich durchaus auch Heldin Marie zählen lässt. Nicht nur weil sie vergleichbar naiv aus der Wäsche guckt, sondern weil auch sie etwas planlos durchs Leben treibt. Eine Art Plan, wenn auch nicht der völlige Durchblick, eignet allenfalls den beiden flankierenden Figuren: Oscar, der – aufgepasst! – seine Schlafwandeleskapaden und einen selbst komponierten Elektro-Track erfolgreich unter einen Hut bringt; und Schriftsteller Antoine, der die ganze Chose (will sagen: den Film, den wir hier sehen) möglicherweise eben gerade im Moment erfindet. Das würde die vielen offenen Enden, fehlenden Hintergründe, angerissenen Themen, aufblitzenden Motive, vorbeiflanierenden Figuren sowie die mitunter recht rätselhaften Dialoge erklären. »Work in progress« sozusagen. Immerhin, mit Antoine steht Siméon ein ernstzunehmendes Mannsbild gegenüber, gespielt vom einmal mehr beeindruckenden Eric Cantona, der in dieser Rolle neuerlich beweist, dass sein Wechsel vom Fußballfeld auf die Leinwand eine goldrichtige Entscheidung war. Von Cantona abgesehen, kann man sich auch an André Wilms erfreuen, der den grundgutgelaunten Musiker Cosmo spielt, sowie an einem der letzten Auftritte der im Januar diesen Jahres verstorbenen großen Emmanuelle Riva.
Natürlich steckt in »Marie und die Schiffbrüchigen« auch so etwas wie eine Botschaft, verpasste Chancen betreffend. Darauf könnte man sich einlassen, wäre da nicht dieser Inszenierungsstil, der so gerne als »leichtfüßig« bezeichnet wird, was letztlich nichts anderes meint, als dass man das alles nicht recht ernst zu nehmen braucht. So ist es denn auch: Locker, flockig zieht Marie vorbei, die Schiffbrüchigen im Schlepptau, und noch ehe sie am Horizont verschwunden sind, hat man sie bereits vergessen.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns