Kritik zu 2 automnes, 3 hivers – 2 Herbste, 3 Winter
Sprachverliebt, verspielt und äußerst zitierfreudig erzählt der junge französische Regisseur Sébastien Betbeder von Liebe und anderen Gefahrenzonen des Lebens
Von Edvard Munch bis Judd Apatow, von Bresson bis The Walking Dead reicht das weite Feld aus Zitaten und Verweisen, auf dem Betbeder und seine Figuren sich tummeln. Auf absurde und dennoch schlüssige Weise wird da sogar das Medienspektakel um die Rettung verschütteter chilenischer Minenarbeiter im Jahr 2010 mit der populären französischen Survival-Fernsehshow Koh-Lanta kurzgeschlossen. All diese Elemente treiben die Erzählmaschine von 2 automnes, 3 hivers voran, und man könnte mutmaßen, die Abschweifungen und teils surrealen Einsprengsel seien vor allem dazu da, über das Fehlen einer triftigen Dramaturgie hinwegzutäuschen. Denn im Kern geht es in dieser Mischung aus Drama und Komödie um die Geschichte einer Liebe und um drei Menschen um die 30 – allesamt ehemalige Kunststudenten –, die nach dem richtigen Kurs durch ihr eigenes Leben suchen.
Im Mittelpunkt steht Arman, der seine Antriebslosigkeit überwinden will und beim Joggen in Amélie rennt, die ihrerseits auf der Suche nach etwas ist, ohne jedoch zu wissen, nach was. Und da ist noch Armans Freund Benjamin, der einen schweren Hirnschlag erleidet, und dies ist nicht die einzige Konfrontation der Protagonisten mit ihrer Sterblichkeit. Während er sich langsam erholt, kommen Arman und Amélie sich näher. Wie so vieles in diesem Film entwickelt sich ihre Liebe erst über Verzögerungen und Umwege, und so ergibt auch das Mäandern der Narration als Spiegelung der krummen Wege des Lebens durchaus Sinn.
Es ist vor allem die Sprache, die die Handlung über zwei Herbste und drei Winter vorantreibt. Die Protagonisten, sehr sympathisch und glaubwürdig verkörpert von den bei uns kaum bekannten Schauspielern Vincent Macaigne, Maud Wyler und Bastien Bouillon, übernehmen immer wieder die Rolle von Erzählern, sprechen bisweilen in Pseudo-Interviewsituationen in die Kamera, ab und an auch direkt aus Spielszenen heraus. Das mag wenig originell klingen, wirkt aber erstaunlich frisch. In Dutzenden kurzen Kapiteln, begleitet von stimmungsvoller Musik von Bertrand Betsch, von Chansons und Pop, entspinnt sich ein Erzählgewebe, das stilistisch an die Nouvelle Vague anknüpft, im Humor an Woody Allen geschult ist.
Lust- und schwungvoll spult sich das ab, voll Empathie für die Figuren und berührend gerade durch Randnotizen – etwa als eine Katze neugierig den nach seinem Schlaganfall hilflos in einer Hecke liegenden Benjamin beäugt und er deren Anteilnahme zu spüren glaubt. Mit Leichtigkeit auch von Traurigem zu erzählen, im Glück wiederum schon dessen Vergänglichkeit anzudeuten, das gelingt dieser melancholischen Komödie ganz hervorragend.
In anderen, seltenen Szenen wirkt das Spontan-Unmittelbare forciert, auch bleiben die Charaktere ein wenig skizzenhaft, insbesondere der von Amélie – die Perspektive des Films ist eindeutig männlich. Umso feiner jedoch ist Betbeders Gespür für die Absurditäten des Lebens, umso klarer seine Haltung, Widersprüche und Leerstellen zuzulassen, statt sie wegzuerklären.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns