Kritik zu Manuscripts Don’t Burn

Trailer OmU © Peripher Filmverleih

2013
Original-Titel: 
Dast-neveshtehaa nemisoosand
Filmstart in Deutschland: 
13.08.2015
L: 
124 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Als Mohammad Rasoulofs Film vor zwei Jahren in Cannes den Preis der Internationalen Filmkritik erhielt, war dies nicht nur eine Anerkennung für den Mut des mit Berufsverbot belegten Regisseurs, sondern verdankte sich auch der unbestechlichen Präzision, mit der er den iranischen Staatsterror schildert

Bewertung: 4
Leserbewertung
4
4 (Stimmen: 1)

Die Angestellten der iranischen Zensurbehörde stammen meist aus den Provinzen. Das Kalkül dieser Re­krutierung ist ebenso einfach wie raffiniert: Es beruht auf der Vermutung, dass Menschen vom Land ein tieferes Misstrauen gegenüber der Kunst hegen als Stadtbewohner. Der Zensor, der in Mohammad Rasoulofs Film auftritt, ist zwar kultiviert und gibt sich weltläufig. Der Gegensatz zwischen Metropole und Provinz prägt dennoch die politische und dramaturgische Topographie des Films.

»Manuscripts Don’t Burn« lehnt sich an wahre Ereignisse an. Rasoulofs Drehbuch bezieht sich kaum verschlüsselt auf eine Kette von Morden an iranischen Dissidenten, die zwischen Ende der 80er und 90er Jahre stattfanden. Auslöser der Filmhandlung ist ein Attentat, das auf eine Gruppe von Teheraner Intellektuellen verübt wurde, die sich auf dem Weg zu einer Kulturveranstaltung in Armenien befanden. Auf einer Landstraße sollten sie einem Unfall zum Opfer fallen, konnten sich aber retten. Ein Schriftsteller hat alles in einem Roman verarbeitet, dessen Manuskript er mit Hilfe zweier Freunde vor dem Zugriff der Zensur verbirgt.

Rasoulof erzählt vom iranischen Staatsterror sowohl aus der Sicht der Täter wie auch der Opfer, wobei sich zwei Handlungsstränge immer enger miteinander verbinden. Der erste handelt von zwei Angehörigen eines Sonderkommandos, die dem Regime unliebsame Intellektuelle foltern und gegebenenfalls töten sollen. Der zweite folgt den drei Schriftstellern, die auf je eigene Weise mit den Repressalien umzugehen versuchen. In der Parallelführung lässt Rasoulof die Mechanismen staatlicher Unterdrückung kenntlich werden. Ihr Arsenal besteht in Korrumpierung oder Verleumdung, in Entführung, Folter und Mord.

Obwohl er seinen Film als Rückblende erzählt und so am tragischen Ausgang keinen Zweifel lässt, schürt Rasoulof in beiden Erzählsträngen Suspense: Einer der gedungenen Mörder muss Geld für eine Operation aufbringen, während gleichzeitig die drei Dissidenten an dem Druck zu zerbrechen drohen, der auf sie ausgeübt wird.

Dieser Suspense verdankt sich freilich keiner gerissenen Konstruktion, sondern einer unerbittlichen Beobachtungsgenauigkeit. »Manuscripts Don’t Burn« ist ein Politthriller, in dem sich die Anspannung in einem ruhigen Erzählrhythmus aufbaut. Rasoulof gibt dem Zuschauer ein genaues Gefühl dafür, wie viel Zeit Einschüchterung, Demütigung und Folter kosten. Dass die Morde in Ellipsen stattfinden, nimmt ihnen nichts von ihrem Schrecken. Rasoulof betreibt ein lauteres Verwirrspiel. Die Identität eines Entführten bleibt bis kurz vor Ende rätselhaft, da sein Gesicht vermummt ist. Zunächst ist auch unklar, welcher der drei Schriftsteller der Verfasser des Romans ist. Es zirkuliert gleichsam zwischen ihnen, jeder von ihnen zitiert daraus. Der Umgang mit dem Wort gerät Rasoulof zu einer widerständigen ästhetischen Strategie. Oft löst er Dialoge, Erzählungen und Geständnisse von den Sprechenden ab, legt sie ins Off, während der Zuschauer sie mal sprechen sieht und dann wieder nicht. Das verbotene, zensierte Wort existiert unabhängig von seinem Verfasser. In der ästhetischen Freiheit, die Rasoulof sich nimmt, liegt ein wehmütiger Trost.

Tatsächlich ist unerhört, was in diesem Film zur Sprache kommt. Seine Aussagen über Repression sind von unverblümter, provokanter Offenheit; sein Befund eines beinahe reibungslos funktionierenden Überwachungsstaates ist niederschmetternd. Auch mit der intellektuellen Klasse lässt er seine Figuren schonungslos ins Gericht gehen: Es sei ihr Pessimismus, sagt ein Dichter, der das Regime am Leben erhalten habe. An dieser Stelle muss man die Überzeugungskraft und den Mut der Darsteller rühmen. Allein, sie bleiben namenlos. Wie in den letzten Filmen Jafar Panahis ist der Abspann schwarz: Um die Mitwirkenden vor Repressalien zu schützen, müssen sie ungenannt bleiben.

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