Kritik zu Le Prince

© Port au Prince Pictures

Eine Frankfurter Kuratorin verliebt sich in einen kongolesischen Migranten: Lisa Bierwirth erzählt atmosphärisch und unverkrampft von den Herausforderungen, vor die sich eine interkulturelle Beziehung heute gestellt sieht

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Eigentlich wollte Monika nur Zigaretten ziehen. An einem Automaten in einer Kneipe. Doch dann kauert sie unversehens neben einer Hinterhofmülltonne an der Seite von Joseph, einem schwarzafrikanischen Migranten, der sich während einer Razzia vor der Polizei versteckt. Es ist der Beginn – nicht einer wunderbaren Freundschaft, sondern einer Liebesbeziehung, die erfreulich unklischeehaft erzählt wird.

In ihrem Debütfilm, der von der »Toni Erdmann«-Regisseurin Maren Ade produziert wurde, nimmt Lisa Bierwirth sich Zeit, um diese Raucherin Monika einzuführen. Die im österreichischen Kino populäre Ursula Strauss verkörpert eine freiberufliche Kuratorin in der Frankfurter Kunstszene. Der Film zeigt sie als energiegeladene, vollkommen unzickige Frau mittleren Alters, die einen unerwarteten Karriereknick hinnehmen muss. Ihr Chef, eigentlich ein enger Freund, hat ihr schamhaft verschwiegen, dass er eine bessere Stelle erhält. Mit dem rechtzeitigen Wissen um seinen Abgang – und ihre damit verbundene Kündigung – hätte Monika sich in Ruhe etwas Neues suchen können.

In dieser angespannten Situation lernt sie Joseph kennen, einen Kongolesen, der aufgrund von Problemen mit Papieren in Frankfurt gestrandet ist. Während Monika auf dem glatten Parkett des Kunstbetriebs mit geheuchelter Freundlichkeit Sprechblasen produzieren muss, führt ihr neuer Freund, mit dem sie nur englisch spricht, sie in die erfrischend andere Welt der Migranten ein. Die klischeehafte Gegenüberstellung zwischen deutscher Rationalität und warmherzigen Afrikanern vermeidet der Film aber.

Joseph hat Pläne. Auf seinem Grundstück in der Heimat gibt es Diamanten. Die Suche nach Investoren, die ihm helfen, die Edelsteine zu schürfen, erweist sich jedoch als schwierig. Nur bruchstückhaft bekommt Monika, aus deren Perspektive der Film erzählt, mit, warum Joseph sich bei seinen Bemühungen immer wieder selbst im Weg steht. Es wird angedeutet, wie er beispielsweise Baumaschinen verlädt und verschickt – die aber nie an ihrem Bestimmungsort ankommen. Warum?

Der Film basiert auf einem Drehbuch, in dem Lisa Bierwirth Erlebnisse ihrer Mutter verarbeitete. Auf der Grundlage dieses authentischen Stoffs gelingt die Balance zwischen einer glaubhaften Liebesgeschichte und der differenziert beobachteten Chronik eines angekündigten Scheiterns. Beziehungen deutscher Frauen zu Migranten wurden im Kino immer wieder aufgegriffen. Im Gegensatz etwa zu İlker Çataks »Es gilt das gesprochene Wort« von 2019 beobachtet Bierwirth eine solche Liaison analytischer.

Ohne forcierte Melodramatik schält sich in ihrem Film allmählich heraus, wie schwer es für Monika ist, sich in Joseph tatsächlich hineinzuversetzen. Dank seines kulturellen Hintergrunds hat er nie die Erfahrung gemacht, dass Rechtsstaatlichkeit und Bürokratie den Menschen auch Vorteile bringen. So hält er in einer beiläufigen Szene einen dieser orangefarbenen Briefe in der Hand. Eine amtliche Zustellungsurkunde – die er ungelesen wieder in jenen Karton wirft, in dem er chaotisch Dokumente aufbewahrt, von denen sein Wohl und Weh abhängen.

Fehlende Bereitschaft, sich an die europäische Mentalität anzupassen, wird allerdings nie mit erhobenem Zeigefinger angemahnt. Die ambivalente Beziehung zu Joseph, den der französische Rapper Passi als charmanten und sensiblen Typen verkörpert, bleibt daher stets glaubhaft. Ursula Strauss spielt eine Frau, die es ernst meint. Sie kämpft um die Beziehung, doch dabei verleugnet sie zusehends eigene Bedürfnisse.

Der hochnäsige Blick ihrer besten Freundin macht Monika daher mehr zu schaffen, als ihr lieb ist. Wenn sie sich am Ende fragt, ob Josephs Diamanten überhaupt echt sind, dann deutet das verdichtete Schlussbild an, dass sie letztlich die Vorurteile ihrer Freundin und ihrer Bekannten wider Willen doch übernimmt. Dank starker Bilder gelingt es Bierwirth, das Unausgesprochene spürbar zu machen. »Le Prince« ist ein konzentrierter, atmosphärischer Film, dessen unaufgeregte, schummerige Frankfurtbilder an Fassbinder erinnern.

Meinung zum Thema

Kommentare

Spätestens zur Mitte oder bald danachmöchte man Monika schütteln und ernsthaft fragen, ob sie denn nicht durchblickt. BeimWeitergucken gibt man schließlich auf, Streichhölzchen ihr in die Augenlieder zu stecken und erkennt: Liebe macht wirklich blind.

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