Kritik zu Krähen – Die Natur beobachtet uns
Gefundenes Fressen: die Krähe gehört zu den wenigen Tierarten, die von der Ausbreitung des Menschen profitieren. Martin Schilt widmet ihr einen Dokumentarfilm
Durch die zunehmende Urbanisierung von natürlichen Lebensräumen wird die Tierwelt immer weiter zurückgedrängt. Mehr und mehr Arten sind vom Aussterben bedroht. Eine Art, die von dieser Entwicklung jedoch profitiert, ist die Krähe, der sich Martin Schilt in seiner ersten Regie-Arbeit seit 2012 ausführlich widmet. Für seinen Dokumentarfilm macht er sich auf eine Reise um die Welt, um zu zeigen, wie die Tiere Einzug in unsere Kultur und unseren Alltag gefunden haben.
Krähen sind auf der ganzen Welt beheimatet, ob Nordamerika, Europa, Asien oder Melanesien: Überall haben die Tiere über die Jahrtausende einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Während das Zusammenleben in den Nordwest-Territorien Kanadas noch durch die Mythologie und eine enge Bindung zur Natur geprägt ist, gehören die Tiere in Europa und Asien fest zum Stadtbild und profitieren vom Konsum und der Verschwendung der Bevölkerung.
Weitläufige Naturpanoramen wechseln sich in Schilts Film nun mit zahlreichen fachkundigen Personen ab, die erläutern, wie sich die Krähenvögel optimal an die sich verändernden Begebenheiten anpassen konnten. Zu Wort kommen sowohl indigene Völker als auch Biologieprofessoren sowie Mitarbeiter der Stadtverwaltung und sogar Krähenjäger. Dazwischen spricht immer wieder Elke Heidenreich, die für die Überleitung von einzelnen Themenkomplexen sorgt. Allerdings wirken manche ihrer Sätze mitunter deplatziert. Fragen wie »Wird uns die Krähenkultur dereinst überflügeln?« oder »Haben Krähenschwärme ein kollektives Wissen über den Menschen?« mögen in ihrem Pathos so gar nicht zu der ansonsten sehr differenzierten Beobachtung der Tiere passen.
Als Zuschauer kann man bei all den sich äußernden Personen schon mal den Überblick verlieren. Insbesondere dann, wenn zusätzlich der Schauplatz innerhalb weniger Minuten mehrfach gewechselt wird. Eben noch in den verschneiten Wäldern Maines, befindet man sich plötzlich in den Schluchten der Hochhäuser Tokios, um sich anschließend im Dschungel Neukaledoniens wiederzufinden.
Wenngleich inhaltlich wenig Neues über die Tiere zutage gefördert wird, gelingt Schilt das Kunststück, seinen Dokumentarfilm über Krähen dazu zu nutzen, dem Menschen einen Spiegel vorzuhalten. Die Tiere erfreuten sich vermutlich nicht ihrer heutigen Verbreitung, wenn ein Großteil der Erdbevölkerung nicht einen derart verschwenderischen Lebensstil pflegen würde. So lässt Schilt immer wieder subtil anklingen, dass die Krähen nicht dem Menschen folgen, sondern der Nahrung. Waren dies früher einzelne Kadaver in Wäldern, sind es heute unzählige Verpackungen von Fastfoodrestaurants und unbedacht auf die Straße geworfene Essensreste. Dieser weltweit immer größer werdende Berg aus Abfällen ist für die Krähen im wahrsten Sinne des Wortes ein gefundenes Fressen und wird dafür sorgen, dass auch zukünftige Generationen noch über die gefiederten Tiere berichten werden.
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