Kritik zu Im Netz der Versuchung

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Steven Knight (»No Turning Back«) wagt mit seinem Film über einen Kriegs­veteranen (Matthew McConaughey), der auf einer Karibikinsel in den Bann einer Femme fatale (Anne Hathaway) gerät, ein Experiment jenseits aller Hollywoodkonventionen

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Ein menschliches Auge in Großaufnahme. Die Kamera zoomt näher und näher heran und durchbricht schließlich die Grenze zwischen außen und innen. Das grünliche Schimmern der Iris weicht einer Unterwasserszenerie. Hinter dem Auge liegt das Meer. Eigentlich legt Steven Knight schon mit dieser Trickmontage, die am Anfang seines Thrillerexperiments steht, seine Karten ganz offen auf den Tisch. Den Bildern ist nicht zu trauen. Also heißt es, sich auch der Erzählung nur mit Vorsicht zu nähern. Doch wie alle Kartenspieler beherrscht auch Knight die Kunst, sein Publikum zu blenden. Kurz nachdem sich der Gedanke, dem Gezeigten zu misstrauen, gebildet hat, ist er schon wieder vergessen.

In dem Augenblick, in dem sich der von Matthew McConaughey gespielte Bootskapitän Baker Dill erstmals seinen Obsessionen hingibt und seine Kunden, zwei reiche Touristen, einfach unter Deck verbannt, ist es um einen geschehen. Mit seinem Porträt des von seinen Dämonen geplagten Kriegsveteranen, der sich auf der kleinen Karibikinsel Plymouth vor seiner Vergangenheit versteckt, zieht McConaughey alle Aufmerksamkeit auf sich. Alles andere wird zur Nebensache, selbst die immer wiederkehrenden kleinen Hinweise auf eine Welt unter der Bilderoberfläche. In der Rolle des eigensinnigen, von einem riesigen Thunfisch besessenen Ex-Soldaten gelingt Mc­Conaughey ein grandioses Kunststück. Er ist in diesem tropischen Neo-Noir Humphrey Bogarts und Robert Mitchums Wiedergänger.

Howard Hawks' »To Have and Have Not« trifft auf Jacques Tourneurs »Out of the Past«. Die Erinnerungen an diese und andere Filme aus Hollywoods Schwarzer Serie ergänzen sich perfekt mit Knights träge dahinfließender Geschichte. Vergangenheit und Gegenwart des Kinos umschließen einen wie ein Traum, aus dem es kein Entrinnen gibt, so wie es auch für Baker kein Entrinnen aus den Fängen einer von Anne Hathaway gespielten Femme fatale gibt.

Aber dieser verführerische Noir-Traum ist eben nur die Oberfläche von Knights Kinofantasie, die sich ganz gezielt Genrekonventionen wie Publikumserwartungen entzieht. Die Hinweise sind von Anfang an nicht zu übersehen. Dennoch hat die ­zentrale Wendung etwas Verblüffendes. Nach und nach dringt Knight in die Welt hinter dem Auge vor und verstrickt einen in eine psychologische Tragödie, die noch viel düsterer und auswegloser ist als jeder noch so schwarze Film noir. Plötzlich geht es nicht mehr um Verführung und Mord, um einen riesigen Thunfisch und zehn Millionen Dollar, sondern um einen Jungen, der angesichts eines brutalen Stiefvaters um sein Leben kämpft und sich zugleich nach seinem leiblichen Vater, der unerreichbar ist, verzehrt. Spiel und Ernst, die (Alp-)Träume des Kinos und die alltäglichen Schrecken der Wirklichkeit sollen sich in Knights Vision ergänzen und gegenseitig kommentieren, bis sie zusammen etwas Neues hervorbringen. Doch ganz gelingt dem Drehbuchautor und Regisseur dieses aufsehenerregende Experiment nicht. Am Ende bleiben die beiden Teile größer als das Ganze.

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