Kritik zu Im Land der Wölfe
Das Thema Wolf polarisiert. Ralf Bücheler stellt die verschiedenen Meinungen vor und zeigt Wölfe von allen Seiten
Neben dem Krieg, der Migration, dem Klima und dem Verkehr ist die gewollte Wiederansiedlung des Wolfs in Mitteleuropa eines der heiß umkämpften Themen der Zeit. Während die einen den ökologischen Nutzen durch die »flexiblen Räuber« schätzen, haben andere Sorgen um den Bestand traditioneller Kulturtechniken und Lebensweisen wie der Schafzucht und der alpinen Almwirtschaft – oder einfach Angst um einsame Menschen im Wald. Dazu kommen noch die Fanatiker und Spinner beider Seiten vom illegalen Wolfsjäger bis zur Wildnis-Esoterikerin.
Ein Vierteljahrhundert ist jetzt vergangen seit der ersten Familienneugründung des Canis lupus in der Lausitz; für den Filmemacher Ralf Bücheler der richtige zeitliche Abstand für eine dokumentarische Bestandsaufnahme. Er interessiere sich für kontroverse gesellschaftliche Themen und für menschliche Leidenschaften, erklärt der Regisseur. Außerdem habe er immer schon mal einen Tierfilm machen wollen. Da bietet das Thema Wolf die perfekte Mischung, auch wenn der Regisseur die Kontrahenten in seinem Film klugerweise nicht direkt aufeinandertreffen und auch die Extremisten außen vor lässt. Die aufbrausendsten Emotionen gibt es hier unter den Almbauern und -bäuerinnen, die mit scharfmacherischer verbaler Unterstützung des bayerischen Bauernverbands auf den Straßen von München gegen das Wolfswesen demonstrieren und dabei freundlicherweise statt auf Traktoren auf Trachten setzen.
Der wesentliche Teil des Films zeigt eher das Ringen um das Wie eines angemessenen »Wolfsmanagements« – wohl aus Einsicht der meisten Beteiligten, dass der große grundsätzliche Kampf längst durch Gremien in Brüssel politisch endgültig entschieden wurde und kaum noch rückgängig gemacht werden kann. So ringen nun konkret geschädigte oder betroffene Schäfer und Viehhalter um die Verbesserung »wolfsabweisender Herdenschutzmaßnahmen« und um Mittel zur Unterstützung. Die Befürworter der Wölfe sind längst zu Wolfsverwaltern geworden. Sie vermitteln, bewerten und verhandeln in Konferenzen, Gremien und Besprechungen die implementierten Maßnahmen. Vor allem aber dokumentieren sie im Rahmen wissenschaftlicher Institutionen penibelst die Entwicklung der Population: mit händisch gesammelten und ausgewerteten Kotproben, GPS-Daten aus eingechippten Sendern oder der detaillierten Obduktion von durch Autounfälle oder Krankheiten getöteten Einzeltieren im Labor. Das ist naturgemäß nicht immer nur schön anzusehen, doch das Prozedere – auffällig oft sind es junge Frauen – ist professionell, ruhig und sachlich.
Auch Büchelers beobachtend angelegter Film ist erfreulich unaufgeregt, nur die begleitende Musik schlägt manchmal über die Stränge. Dazu gibt es Handyaufnahmen zufälliger Wolfssichtungen und (siehe Lust auf Tierfilm) in vielen atmosphärischen Intermezzi immer wieder ausgiebig mit Wildtierkameras eingefangene Wölfe und andere tierische Waldbewohner wie Wildschweine, Rehe oder Waschbären zu sehen.
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