Kritik zu Girls Trip
Wie »Hangover«, nur weiblich: Vier Frauen lassen ihre langjährige Freundschaft auf einer Reise nach New Orleans wieder aufleben – mit viel Alkohol und anderen dem Exzess förderlichen Mitteln
Sechs Jahre nach »Brautalarm« erlebt das Komödien-Subgenre der »Frauen, die mal ungehemmt die Sau rauslassen dürfen« in diesem Jahr ein bemerkenswertes Revival. Nach »Girls' Night Out« schafft es nun auch der US-Sensationserfolg »Girls Trip« nach Deutschland. Die Ausgangssituation der von Malcolm D. Lee (»Barbershop: The Next Cut«) inszenierten Komödie ist vertraut: Vier einstige College-Freundinnen, die sich über die Jahre und ein paar Streitigkeiten ein wenig aus den Augen verloren haben, kommen für ein Partywochenende wieder zusammen und lassen es krachen. Natürlich haben sie längst nicht mehr so viel gemeinsam wie früher. Ryan (Regina Hall) ist erfolgreiche Lifestyle-Autorin und inoffizielle Oprah Winfrey-Nachfolgerin, Exjournalistin Sasha (Queen Latifah) steht als Klatschbloggerin kurz vor der Pleite, Krankenschwester Lisa (Jada Pinkett Smith) kümmert sich seit ihrer Scheidung eigentlich nur noch um die Kinder und Dina (Tiffany Haddish) ist als Underdog der Gruppe für den Sex-Talk zuständig. Als das Quartett gemeinsam nach New Orleans fliegt, eskaliert so einiges, vom Alkoholkonsum über die schwelenden Konflikte bis hin zur alten Vertrautheit, die auf die Probe gestellt wird.
Viel Plot ist das nicht, trotz Beziehungs- und Jobverwicklungen, die anlässlich des Wiedersehens kulminieren. Und vor allem muss man schon etwas übrig haben für den Humor der deftigen und albernen Sorte, den vor einigen Jahren noch Adam Sandler und die »Hangover«-Jungs für sich gepachtet hatten. Wer mit Pinkel-Gags und anderen Peinlichkeiten so gar nicht kann, ist in »Girls Trip« fehl am Platz.
Würde eine karriereorientierte Geschäftsfrau wie Ryan ausgerechnet ein beruflich wichtiges Wochenende nutzen, um alte Freundinnen wiederzusehen? Kleinere Unglaubwürdigkeit wie diese übersieht man genauso gerne wie ein paar Klischees (Halluzinogene im Drink!) und gefühlte 15 Minuten Überlänge. Denn im Gegenzug gelingt es dem Drehbuch, die Figuren und vor allem ihre letztlich unerschütterliche Freundschaft greifbarer zu machen, als es in vergleichbaren Filmen sonst der Fall ist. Dazu tragen auch die Schauspielerinnen bei, wobei Komikerin Haddish in ihrer bislang größten Kinorolle besondere Erwähnung verdient. Wie damals Melissa McCarthy in »Brautalarm« ist sie hier der heimliche Star, und man kann nur hoffen, dass Hollywood ihr unschlagbares komödiantisches Talent noch häufig gewinnbringend einsetzen wird.
An Haddishs Figur zeigt sich übrigens auch beispielhaft, dass »Girls Trip« nicht nur durch Ausgelassenheit und Schwung besticht, sondern auch durch feste Verankerung in der afroamerikanischen Kultur. Einer der komischsten Sexscherze seit langem (nach dem man Grapefruits auf lange Zeit mit ganz anderen Augen sieht) steht hier glaubhaft Seite an Seite mit gottesfürchtigem Beten vorm Schlafengehen. Ava DuVernay und Common geben sich in Cameos ebenso die Ehre wie HipHop-Ikone MC Lyte. Und Weiße kommen, wenn überhaupt, nur vor, um in ihrer Anbiederung ihr Fett wegzukriegen.
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