Kritik zu Fierce: A Porn Revolution

© W-film

2022
Original-Titel: 
Ardente.x.s
Filmstart in Deutschland: 
30.11.2023
Heimkinostart: 
24.05.2024
V: 
L: 
96 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Patrick Muroni dokumentiert die Arbeit eines queeren Kollektivs, das Pornos drehen möchte, die nicht ausbeuterisch sind, respektvoll mit den Darsteller:innen umgehen und mehr Verständnis für weibliche Sexualität zeigen 

Bewertung: 3
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»Käse ist ziemlich sexuell«, erklärt zu Beginn eine der Protagonistinnen, die in einer Käserei jobbt. Sie merke an der Reaktion der Kund:innen, die den Laden betreten, wie sie körperlich auf den Geruch von Käse reagieren. Die Analogie kommt nicht von ungefähr, denn jenseits ihres Nebenjobs ist sie Mitbegründerin des Schweizer Kollektivs »Oil Productions«: Sechs Frauen in Lausanne haben sich darin zusammengeschlossen, um gemeinsam queere, ethisch korrekte Pornos zu drehen, bei denen sich die Darstellenden wohl fühlen, sich ausprobieren können und niemand ausgebeutet wird. 

Regisseur Patrick Muroni hat den Kontakt zum Kollektiv durch eine Freundin, die Mitbegründerin ist, früh aufgenommen. Rund dreieinhalb Jahre lang hat er die Gruppe begleitet und langsam ein Vertrauensverhältnis aufgebaut, bevor er behutsam und langsam mit dem Filmen begann. Die meisten Szenen sind dokumentarisch, andere sind inszeniert, die Übergänge dazwischen fließend. Wir erfahren von den Beweggründen der Frauen, ihren sexuellen Erfahrungen und ihrem Pornokonsum. Sie gehen sehr respekt- und liebevoll miteinander um. Feiern, frühstücken gemeinsam oder liegen am See in der Sonne. Zwischendurch werden eben Pornos gedreht. Ihr ungezwungener Umgang damit ist beeindruckend. Pornografie haftet immer noch etwas Anrüchiges, manchmal auch Vulgäres an. Nicht vornehmlich, weil die Branche eine ausbeuterische ist und insbesondere viele heterosexuelle Filme wenig respektvoll und realistisch mit Frauen und weiblicher Sexualität umgehen. Sondern weil es etwas mit uns macht, wenn wir anderen Menschen dabei zusehen, wie sie Sex miteinander haben. 

Muronis Film verzichtet auf Detailaufnahmen, fängt in Weitwinkel-Einstellungen die Atmosphäre am Set ein und zeigt hoch konzentrierte Menschen, die voll bei der Sache sind. Die Rollen zwischen Filmenden und Darstellenden wechseln, es wird gelacht und am Ende sind alle zufrieden und befriedigt. Was in der Realität eine wahr gewordene Utopie sein mag, wirkt als semi-dokumentarisches Porträt leider beliebig. Muroni ist selbst ein heterosexueller Cis-Mann und möchte um jeden Preis vermeiden, die Menschen vor seiner Kamera zu exponieren oder zu Objekten zu machen. Tatsächlich vermeidet er den »male gaze«, aber dadurch auch jegliche Reibung. In einer Szene diskutiert das Kollektiv, weil vom letzten Dreh kein Material vorliege, das gut genug ist, um einen Film daraus zu machen. Die Gelegenheit für einen Konflikt, der hätte zeigen können, dass es – ob es um Pornos oder ein anderes Genre geht – eine große Herausforderung ist, einen Film zu drehen, verstreicht hier schlicht. 

Vielleicht ist das Kollektiv wirklich eine große, glückliche und konfliktfreie Wahlfamilie, aber ein revolutionäres Gefühl lässt »Fierce« kaum aufkommen. Vielleicht liegt es auch an der Montage von Aël Dallier Vega, dass die schön anzusehenden Sequenzen bloß dahin mäandern, ohne allzuviel auszusagen. Die Pornos von »Oil Productions« sind vermutlich ein befriedigenderes Filmerlebnis.

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