Kritik zu Echte Wiener – Die Sackbauer-Saga
Das skurrile Porträt von vier Generationen einer Wiener Familie. Besonders aufmüpfige Familienmitglieder sind der 13-jährige Enkel und der 80-jährige Urgroßvater
Er ist mindestens so grantig und missmutig wie Clint Eastwood in »Gran Torino«. Der alte Wiener Mundl Sackbauer, verkörpert von Karl Merkatz (»Der Bockerer«) lamentiert lautstark über den Wandel der Zeit. Sein geliebter Schrebergarten inklusive Zwergensammlung ist nämlich gerade von einem Bulldozer niedergewalzt worden, um neuen Baugrund zu schaffen. Der kitschige Gartenzwerg, zerquetscht von der mächtigen Baumaschine: Das wirkt geradezu wie das Sinnbild für ein österreichisches Kino zwischen Sarkasmus und Spießigkeit.
Kurt Ockermüllers Familiensaga versucht den Spagat, der nur manchmal gelingt: den volkstümlichen Austria-Film mit der eher tristen Grundhaltung des Neuen Österreichischen Films zu verknüpfen. Überspitzt formuliert, schaut »Echte Wiener« bisweilen aus, als hätten Franz Antel und Michael Glawogger zusammen einen Film gemacht. Mit Wiener Ekelcharme werden hier Gartenzwerge und Alkoholexzesse, Heurigen-Musik und Swingerclub- Szenen nebeneinander gestellt.
Ein gewisser Reiz geht von den Locations des Films aus, von den Behausungen, die den unterschiedlichen Generationen der Sackbauers zugeordnet werden. Der Patriarch Mundl wohnt mit seiner Frau Toni und einem Papagei Papagei in einem Gemeindebau aus den siebziger Jahren: einem Betonhochhaus, das durchaus einmal die Moderne verkörpert hat. Mit dem geräumigen Balkon im x-ten Stock hat er sich eine Art bierselig-gemütlichen Hochsitz geschaffen, von dem aus er seinen Altersblues in die Wiener Nacht posaunt. Die Kinder und Enkel des Alten leben dagegen in schicken Eigenheimen, wo sie aber auch nicht glücklich zu sein scheinen. Ein altes, beinahe rebellisch anmutendes Kleinbürgertum steht einer neuen, sich sachlich und tolerant gebenden Spießigkeit gegenüber.
Ockermüllers Film entfaltet mosaikartig die mannigfaltigen Probleme der verzweigten Sackbauer-Dynastie. Besonders herausragend sind die Schwierigkeiten des Enkels, eines erfolgreichen Computerspezialisten, der jedoch im Suff einen Unfall verursachte, der für seine junge Frau tödlich endete. Sein 13-jähriger Sohn Eddie besäuft sich seither mit Alkopops und schreit in einer Rockband à la Tokio Hotel gegen das Schicksal und seinen Vater an. Ein weiterer dramatischer Höhepunkt dieser »Short Cuts« einer Wiener Familie: die Rückkehr der verlorenen Tochter Hanni aus dem Piefke-Exil in Hamburg. All diese Probleme werden von Ockermüller mal realistisch aufgezeigt, dann wieder derb und albern abgetan wie in einer Schwabenitzky-Komödie. Die Auflösung der Konflikte ist wiederum von der Harmoniesucht der Soap Opera gekennzeichnet.
Während der Plot nicht recht überzeugen kann, nimmt die genuin österreichische Morbidität für den Film ein. Bei der Feier zu Mundls 80. Geburtstag dürfen Karl Merkatz, Götz Kauffmann und der unvergessliche Kurt Weinzierl einen herrlichen Danse macabre aufführen. Der Showdown schließlich mit allen emotionalen und melodramatischen Entscheidungen findet auf dem Friedhof statt. Zweifellos, die Österreicher mit ihrem seltsam- komischen Todeskult entwickeln sich immer mehr zu den Mexikanern Europas.
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