Kritik zu Du wirst mich in Erinnerung behalten
Der kanadische Regisseur Éric Tessier erzählt von der fortschreitenden Demenz eines einst renommierten Historikers und den verschiedenen Frauen in seinem Leben
Es ist eine seltsame Geschäftigkeit, mit der ein Kamerateam ein älteres Ehepaar für Aufnahme vorbereitet – untermalt von einem sanft-dynamischen Elektrosound. Dann, als die Kamera läuft, beginnt die Ehefrau zu schimpfen. Über ihren Mann, der sich doch an nichts erinnern kann. Vehement verteidigt der sich: »Ich habe ein phänomenales Gedächtnis.« Das alles hat etwas Klamaukiges, bis das Kamerateam wieder abrückt und der alte Mann fragt: »Wann fangen wir denn an.« Filme über Demenz sind stets eine Gratwanderung zwischen den komischen und tragischen Momenten, einem liebevollen Blick und der Verzweiflung der Betroffenen. Dem kanadischen Filmemacher Éric Tessier gelingt diese in »Du wirst mich in Erinnerung behalten« nur bedingt.
Édouard (Rémy Girard) war einst ein renommierter Historiker, geschätzter Erklärer auch in den Medien, den Reizen seiner Studentinnen nicht abgeneigt. Jetzt aber, so wird ihm später die junge, etwas rotzige Bérénice (Karelle Tremblay) sagen, interessiert sich die Öffentlichkeit einzig für seine Krankheit. Édouards Frau Madeleine (France Castel) hat irgendwann genug, braucht eine Pause und bringt ihn kurzerhand zu der erwachsenen Tochter Isabelle (Julie LeBreton). Dass sie da schon längst einen neuen Liebhaber hat, zu dem sie wenig später ziehen wird, erzählt sie nicht. Und Regisseur Terrier behält seinen überdrehten, fast komödiantischen Ton bei.
Irgendwann ist es Bérénice, die Tochter von Isabelles Freund Patrick, die sich um Édouard kümmert. Er hält sie für seine zweite, vor vielen Jahren verschwundene Tochter. Bérénice nimmt die Rolle an, und Édouard beginnt, sich an ein lang verdrängtes Kapitel seines Lebens zu erinnern – in Rückblenden und Fantasien. Das alles grenzt an Kitsch. Auch Isabelle hat lange ihre verschwundene oder vielleicht auch tote Schwester verdrängt, überhaupt hat sie ein Problem mit Gefühlen. Madeleine sucht ihr Glück in der neuen Liebe, das man ihr unbedingt gönnt, nach einer so langen Beziehung, egal wie unglücklich sie war, aber nicht abnimmt. Es ist nicht die Verzweiflung, die Erschöpfung, die sie in die neue Beziehung treibt, so scheint es, sondern einzig der Wunsch, endlich die eigenen Bedürfnisse an erste Stelle zu setzen.
Eine Stärke des Films liegt in der Auseinandersetzung zwischen dem alten Mann und der jungen Frau, denn Édouard sieht in seinen klaren Momenten eine Parallele zwischen seinem Leben im absoluten Moment und dem der Social-Media-Generation. Er wird weich, milde und philosophiert. Tessier schneidet in seinem Film nach dem gleichnamigen Theaterstück von François Archambault viele Themen und Gedanken an, ohne sie aber je tiefer zu ergründen.
Demenz hat viele Gesichter; niemand wird sich anmaßen, den einzig wahren Umgang damit zu kennen. »Du wirst mich in Erinnerung behalten« wirft einen vielleicht allzu leichten, harmlos-versöhnlichen Blick auf diese zerstörerische Krankheit.
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