Kritik zu Die Schlösser aus Sand
Die Regiekarriere Olivier Jahans ist beklagenswert sporadisch verlaufen. Nach seinem vielversprechenden Debüt »Der Voyeur« dauerte es 15 Jahre, bis er seinen zweiten Langfilm realisieren konnte. Das Warten hat sich gelohnt
Dieser Film weiß entschieden zu viel über seine Figuren. Gleich mehrere Erzählstimmen beschreiben sie eingangs aus dem Off, schildern ihre Vorgeschichte und ihr aktuelles Verhältnis. Zuweilen sprechen sie direkt in die Kamera, über sich und über einander. Ihre Berufe sind bezeichnend: Sie ist Fotografin, hat einen Blick für Gesichter und Stimmungen; er lehrt Geschichte und arbeitet über Hitlers Nichte. Der Filmtitel beschwört die Vergänglichkeit.
Nach sechs, sieben Minuten scheint die Geschichte von Eleonore (Emma de Caunes) und Samuel (Yannick Renier) bereits auserzählt. Sie haben sich zu rasch offenbart. Wie könnten sie sich ein Geheimnis zurückerobern? Und liegt das Paradies wirklich hinter ihnen, wie der Off-Kommentar beteuerte? Regisseur Olivier Jahan will auch in den nächsten anderthalb Stunden nicht ganz ablassen von der erzählerischen Überdeterminierung, gibt seinen Protagonisten jedoch zuzeiten die Chance, sich sacht aus ihr zu lösen. Das alles dürfte eigentlich nicht funktionieren, tut es dann aber doch. Die ersten Filmminuten schworen den Zuschauer darauf ein, dass dieses Paar seine eigene Mythologie besitzt. Nun kann seine Geschichte neu beginnen.
Nach dem Tod ihres Vaters, auch er ein Fotograf, will Eleonore sein Haus in der Bretagne verkaufen. Mit Ende dreißig ist sie endgültig Waise geworden. Ihr ist bang vor diesem Wochenende, sie braucht eine Stütze und bittet ihren Exfreund Samuel, ihr beim Auflösen des Haushalts zu helfen. Er hat sich vor einem halben Jahr von ihr getrennt, nachdem sie ihn mit einem Musiker betrogen hat. Nun lebt er in einer neuen, glücklichen Beziehung mit einer Studentin und ist überzeugt, dass es ein Fehler war, mitzukommen. Eleonore wiederum bereut ihre Trennung zutiefst. Oft erscheint ihr der Vater (Alain Chamfort), in der Erinnerung oder als ein Rat spendender Geist. Eine Immobilienmaklerin (Jeanne Rosa) stößt zu ihnen, ratlos über die Rolle, die sie im Leben spielen soll. Sie verliebt sich ein wenig in das Paar. Schließlich taucht noch eine Buchhändlerin (Christine Brücher) auf, aus deren Verhältnis zum Verstorbenen der Film vorerst ein Geheimnis machen will.
Es liegt eine gleichsam behagliche Traurigkeit in der Situation, in die der Film seine Figuren schickt. Jahan richtet sich fast ein wenig zu bequem in dieser wohlsituierten Melancholie ein (nicht jeder erbt ein so schmuckes Anwesen), die aus dem bürgerlichen Kino eines Claude Sautet wohlvertraut ist. Behaglich ist hierbei jedoch vor allem die Vorhersehbarkeit der Regungen und Konflikte. Der Abschied von den Eltern ist eine universelle Erfahrung, der Jahan achtsam Rechnung trägt. Sein Blick auf die Trauerarbeit ist unverstellt, Eleonore darf Tränen vergießen. Er scheut, wie gesagt, das Offensichtliche, Naheliegende nicht. Daraus erwächst allmählich eine berührende Freimütigkeit. Seine Schauspieler, die allesamt auf eher verwehte Kinokarrieren zurückblicken, stellen eine große, alsbald auch heitere Nähe zu den Figuren her. Jahan findet den richtigen Ton, weil er nie vergisst, dass sie lauter Dinge zum letzten Mal tun.
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