Kritik zu Die Frau des Anarchisten
Die langen Schatten des »kurzen Sommers der Anarchie«: Peter Sehr und Marie Noëlle erzählen die Geschichte einer großen Liebe vor dem Hintergrund des Spanischen Bürgerkriegs und der Diktatur Francos
Erst seit wenigen Jahren findet in Spanien eine echte Auseinandersetzung mit der Franco-Diktatur statt. Dreißig Jahre nach dessen Tod treten noch immer die Risse zutage, die Gewalt und Opportunismus, Entrechtung und Willkür durch die Gesellschaft gezogen haben. Peter Sehr und seine Frau und Co-Regisseurin Marie Noëlle wollen in ihrem Film dieser Dimension hinter den bloßen historischen Fakten nachgehen und spannen einen weiten Bogen von der Belagerung Madrids 1937 bis zum Nachkriegsjahr 1952, in dem das übrige Europa vom Faschismus befreit ist, während sich in Spanien die Diktatur Francos konsolidiert hat.
Durchbrochen von dokumentarischen Aufnahmen, entfaltet der Film die Geschichte einer Liebe, die die Wirren der Epoche überdauert. Die junge Manuela (Maria Valverde) versucht im umkämpften Madrid mit ihrer Tochter Paloma zu überleben, während ihr Mann Justo (Juan Diego Botto) in den Schützengräben vor der Stadt gegen Franco kämpft. Die Liebe der beiden ist nicht konfliktfrei: Manuela möchte Justo an ihrer Seite haben, während ihr idealistischer Mann im Kampf für die Freiheit keine Kompromisse kennt. Immer seltener kehrt er von der Front zurück. Der Abgrund des Bruderkriegs verläuft auch durch Familien: So steht Justos Bruder aufseiten der Faschisten. Während diese die Oberhand gewinnen, verlieren sich die Liebenden.
Sehr und Noëlle bemühen sich um Differenziertheit in der Darstellung der historischen Verflechtungen. In erster Linie aber feiert der Film eine große Liebe und setzt die Leidenschaft des Subjekts gegen die Schrecken der Geschichte. Das ist ein starker Stoff fürs Kino, und wenn so etwas kompositorisch gelingt, dann können sogar Dialogzeilen wie »Sing leise für die Liebe und laut für die Freiheit « oder »Unsere Gewehre sind mit Gerechtigkeit geladen« über den Kitsch hinauswachsen. Schließlich ist auch Anthony Mingellas Englischer Patient genau genommen Kitsch, doch eben Kitsch mit Grandezza. Dazu fehlt leider der »Frau des Anarchisten« der epische Atem. Die Dramaturgie stolpert meist atemlos vor sich hin, was sich auch in einer planlosen Montage zeigt.
Interessanterweise findet der Film in der zweiten Hälfte zu mehr Konzentration. Nach Jahren des Getrenntseins von Justo findet Manuela ihn nach dem Weltkrieg wieder – in Frankreich, wo er für die Résistance gekämpft und in einem Konzentrationslager schweres Leid erfahren hat. Als Staatenloser plant er nun mit der deutschen Kommunistin »Lenin« (Nina Hoss) Aktionen gegen das Franco-Regime. Der Film lässt sich nun wesentlich mehr Zeit für seine Charaktere. In Justos Figur eines gezeichneten, doch ungebrochenen Idealisten werden nun die Abgründe der Epoche deutlich. Schade für dieses ehrenwerte filmische Unterfangen, dass der Film erst dann zu sich selbst findet, als er die Aufmerksamkeit des Zuschauers vielleicht schon verloren hat.
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