Kritik zu Die Besucher
Geld und Elternliebe – Constanze Knoche widmet sich in ihrem Spielfilmdebüt einem Generationenkonflikt spezieller Art: Was passiert, wenn der arbeitslose Vater seinen erwachsenen Kindern ihre verlängerte Pubertät nicht mehr finanzieren kann?
Jakob, ein Mann in den besten Jahren (Uwe Kockisch), fährt nach schlaflos verbrachter Nacht in die Stadt und konfrontiert seine dort lebenden Kinder mit einem folgenreichen Entschluss. Bei der Rückkehr tags darauf ist nichts mehr so, wie es war. Derart verkürzt würde der Spielfilm Die Besucher einem Western ähneln, in dem Tatkraft und Autorität das Sagen hätten. Doch die Charaktere in Constanze Knoches erstem Kinofilm sind wie ihre Beziehungen und Konflikte alles andere als handlungsorientiert. Es geht um ein zeitgenössisches Stimmungsbild, um blockierte Emotionen und fehlende Kommunikation. Dabei wäre die dem realen Leben abgeschaute Konstellation zwischen Jakob, einem Chemie- Ingenieur im Lausitz-Städtchen Schwarzheide, seiner Frau Hanna (Corinna Kirchhoff) und den drei nach Berlin gezogenen Kindern ein Fall, der nach Entschlusskraft schreit.
Constanze Knoche schildert eine erstickt wirkende Familie, in der die Kinder, die burschikose Gärtnerin Karla (Anjorka Strechel), ihre karrierefixierte Schwester Sonni (Anne Müller) und der vor lauter Schuldgefühlen larmoyante Arnolt (Jakob Diehl) dem Vater übelnehmen, dass er den Beruf, »sein« Chemiewerk und den damit verknüpften Glauben ans gesellschaftliche Große und Ganze immer vorgezogen hat. Kritik an den gescheiterten Idealen sozialistischer Persönlichkeitsbildung scheint so leider nur in Andeutungen auf.
Kehrseite des ins Unterbewusste abgedrängten Generationenkonflikts ist die spendable Geste des Alten. Sonni und Arnolt liegen ihm noch mit fast dreißig Jahren auf der Tasche. Auch Mutter Hanna steckt dem Sohn Geld zu. Doch ausgerechnet der überidentifizierte Ingenieur Jakob ist nun entlassen worden und reist nach Berlin, um den Kindern mitzuteilen, dass die Zuwendungen nicht länger möglich sind. Uwe Kockisch, ein beschämter, in seinem gepanzerten Selbstbild gefangener Mann, tut sich schwer, er hält den Glauben an Studium und Bildung hoch. Doch Arnolt – von Jakob Diehl eindrücklich als überforderter Narziss verkörpert – studiert schon lang nicht mehr und riskiert durch seineLethargie auch die Liebe zu Katharina (Irina Potapenko), der einzigen Erwachsenen im Kreis der postpubertär Leidenden.
Knoches Film verfolgt die melancholisch skurrile Gewitterstimmung, die Jakobs Erscheinen unter den aufgestörten, aggressiv die Abhängigkeit abwehrenden Kindern hervorruft. Beim abendlichen Familientreffen kommt es zum klassischen Eklat, das Paar wird mit sich selbst konfrontiert und geht eine schräge Nacht lang in Berlin verloren, während ihre verstockt unzufriedenen Kinder ihrerseits die Eltern in ihrem Provinznest suchen.
Leider hält die Regisseurin die outrierte theaterhafte Überdeutlichkeit von Corinna Kirchhoff und Anne Müller nicht im Zaum, sie inszeniert insgesamt zu wenig Raum- und Zeitempfinden, um ihrer interessanten These visuelles Leben einzuhauchen. Die psychischen Folgen später finanzieller Abhängigkeit von den Eltern sind hier in eine Postwende-Katerstimmung und den Kontrast zwischen Berliner Zeitgeist und Provinz eingebettet – ein Ideengebäude, dem weniger Prätention zu wünschen gewesen wäre.
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