Kritik zu Der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki

© Camino Filmverleih

Newcomer Juho Kuosmanen zeigt in seiner angenehm unaufgeregten Boxerkomödie, dass es in Finnland auch Talente gibt, die nicht Kaurismäki heißen

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Die Frage, warum es eigentlich so viele Spielfilme über Boxer gibt, lässt sich leicht beantworten. Es ist nicht die bedingungslose Liebe zur gepflegten Männerklopperei, sondern der gesamte Prozess, der Filmemacher und den einsamen Kämpfer in Handschuhen vereint. So beschreibt es zumindest Juho Kuosmanen, mit 37 Jahren einer der Vertreter des neuen finnischen Kinos, das ganz in der Tradition des lakonischen Zeitlupenkinos um Altmeister Aki Kaurismäki steht. »Natürlich ist das Boxen ein sehr filmischer Sport, aber vor allem ist es als Regisseur relativ einfach, sich in die Haut des Protagonisten hineinzuversetzen. Letztendlich ist man alleine im Ring und muss darauf gefasst sein, Schläge einzustecken«, sagt Kuosmanen.

Er erzählt die Geschichte des Boxers Olli Mäki (Jarkko Lahti), der 1962 wider Erwarten gegen Davey Moore, den amtierenden Weltmeister im Federgewicht, kämpfen soll. In Helsinki, vor heimischem Publikum. In Wahrheit ist es ein Publicity-Stunt von Mäkis Manager und Trainer Elis (Eero Milonoff), der selbst einst im Ring stand, jetzt aber mit privaten und finanziellen Problemen zu kämpfen hat – und in dem lukrativen WM-Fight die Ausflucht aus seinem Schlamassel wähnt. Die Geschichte from zero to hero ist klassischer Boxfilmstoff, den man in ähnlicher Form etwa auch aus den ersten beiden Rocky-Filmen kennt. Balboa, der klamme Amateurboxer, der unverhofft die Chance seines Lebens bekommt und im Schwergewicht gegen Weltmeister Apollo Creed antreten darf. Doch Olli Mäki ist kein Schwergewichtler, sondern leicht wie eine Feder. Kein Wunder, dass er den Boden unter den Füßen verliert, als er sich in den Wochen vor dem wichtigsten Kampf seines Lebens in die quirlige Raija (Oona Airola) verguckt. Die junge Liebe gibt ihm nicht den notwendigen Auftrieb, sondern lässt ihn hadern und zweifeln. In wunderbar lakonischen Momenten erlebt man hier einen großen Grübler und Zweifler, der mit der (damals doch noch überschaubaren) PR-Maschinerie so gar nichts am Hut hat. Ein Essen mit Geldgebern und Sponsoren? Für Mäki schlimmer als ein 12-Runden-Kampf.

Die kontrastreiche Welt zwischen dem amerikanischen Glamourboxer und dem finnischen Eigenbrötler fängt der Film optisch in grobkörnigen Schwarz-Weiß-Bildern ein, zudem wurde im 16-Millimeter-Format gedreht, um die frühen 60er Jahre wieder aufleben zu lassen. Der zutiefst humorvolle Film wurde in Cannes in der »Un Certain Regard«-Sektion ausgezeichnet und erzählt insgeheim eigentlich die Geschichte des Regisseurs: Kuosmanen gewann vorher am gleichen Ort mit seinem Studentenfilm The Painting Sellers den ersten Platz und damit die Chance, dass sein erster Langfilm ebenfalls auf dem Festival laufen würde. Die Zeit danach wurde für ihn zur Analogie zum Boxsport – endloser Druck, Angst, knallharte Disziplin und die Angst zu versagen. Bis ihm endlich die Idee für Olli Mäki kam. Den Protagonisten gibt es übrigens wirklich, in der Schlussszene des Films sieht man ihn kurz mit seiner Frau – von hinten! Noch so ein schrulliger Humorhieb, für den man Regisseur Kuosmanen einfach gern haben muss.

Stream [arte bis 4.1.2021]

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