Kritik zu Der Adler der neunten Legion
Kevin Macdonald hat in seinen Filmen »Last King of Scotland« und »State of Play« auf eindrucksvolle Weise Machtverhältnisse analysiert. Nun wendet er sich mit der Verfilmung eines Jugendbestsellers den alten Römern zu
Eine Fahrt auf einem sich durch dichte Wälder schlängelnden Fluss. Das strahlende Sonnenlicht, das durch die Wipfel der Bäume fällt, lässt das Wasser golden schimmern. Nur hat der junge Centurion Marcus Aquila (Channing Tatum), der mit diesem Boot zu seinem ersten Kommandoposten an die äußerste nördliche Grenze des römischen Imperiums gebracht wird, für die Schönheit der ihn umgebenden Natur kein Auge. Er ist sichtlich angespannt und lässt seinen unruhigen Blick immer wieder am Flussufer entlanggleiten. Das fremde, von Rom zwar eroberte, aber immer noch feindliche Territorium macht dem Offizier Angst, auch wenn er sich das nie eingestehen würde.
Mit diesen beeindruckenden, von Andeutungen und Verweisen schwangeren Bildern beginnt Kevin Macdonalds Verfilmung von Rosemary Sutcliffs berühmten historischen Jugendroman »Der Adler der neunten Legion«. Erinnerungen an Francis Ford Coppolas »Apocalypse Now« drängen sich in diesem Moment regelrecht auf und schlagen einen Bogen zu einer anderen Flussfahrt tief hinein ins Herz der Finsternis. Wie Martin Sheen in diesem legendären Trip in den Wahnsinn des Vietnamkrieges ist auch Channing Tatums Römer ein Mann mit einer Mission. Allerdings hat er sie sich selbst erwählt.
Vor 20 Jahren ist in den dichten Wäldern Schottlands die neunte Legion und mit ihr auch deren goldene Adlerstandarte spurlos verschwunden. Diese Schmach lastet seither schwer auf dem Imperium und auf Marcus Aquila, dessen Vater der Kommandant der Neunten war. Marcus ist besessen von der Idee, die Ehre der Familie wiederherzustellen, und hat sich ganz bewusst an den Hadrianswall versetzen lassen.
In den letzten Jahren hat sich die Popkultur, wie es scheint, regelrecht in den Mythos um die verschwundene neunte Legion verbissen. Schon Antoine Fuquas »King Arthur«, der die Artus-Legende zu ihren historischen Ursprüngen zurückführen sollte, kam nicht ohne Verweise auf die Neunte aus. Die mittlerweile aus der Sicht der historischen Forschung kaum mehr haltbare Geschichte von ihrer Vernichtung durch die Stämme im Norden Britanniens hat einen zeitlos-allegorischen Kern. Das größte Imperium der Welt wird von einem kleinen Volk nicht nur in einer Schlacht besiegt, sondern gedemütigt. Da liegen die Parallelen zu gegenwärtigen Ereignissen auf der Hand. Auch Neill Marshall hat sie in seinem ungeheuer bitteren Guerillakriegsfilm »Centurion«, der hier leider nur auf DVD veröffentlicht wurde, in aller Deutlichkeit hervorgehoben.
Ein wenig von dieser brennenden Aktualität ist auch in »Der Adler der neunten Legion« noch zu spüren, vor allem zu Beginn. Bevor sich Marcus Aquila und sein britischer Sklave Esca (Jamie Bell) hinter die feindlichen Linien wagen, bietet sich ein Vergleich zwischen Rom und den Vereinigten Staaten mehr als nur an. Doch in der Folge konzentriert sich Kevin Macdonald nur noch auf den starren Ehrbegriff seines Heldenpaares, den er dann in einer plumpen Weise propagiert, dass einem nur angst und bange werden kann.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns