Kritik zu Concerned Citizen

© Salzgeber

2022
Original-Titel: 
Ezrah Mudag
Filmstart in Deutschland: 
02.02.2023
L: 
82 Min
FSK: 
12

Im Film des israelischen Regisseurs Idan Haguel zieht ein wohlmeinendes linksliberales Pärchen in ein »raues« Viertel von Tel Aviv – und wird mit den Folgen der eigenen Vorurteile und Privilegien konfrontiert

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Ben (Shlomi Bertonov) pflanzt ein Bäumchen vorm Haus. Gerade sind er und sein Mann Raz (Ariel Wolf) in ihr neues Heim gezogen, ein schick saniertes Apartment in Neve Sha'anan, einem migrantisch geprägten Stadtteil im Süden Tel Avivs, der gerade »im Kommen« ist. Ben und Raz sind als gut verdienendes, liberales schwules Paar die Vorhut der Gentrifizierung des Viertels. Hier können sie sich eine großzügige Eigentumswohnung leisten, die im Zentrum unerschwinglich wäre. 

Ihr Alltag hinter dem Sicherheitstor ist geprägt von geschmackvoll minimalistischer Einrichtung, wohltemperierter Hintergrundmusik und morgendlichen grünen Smoothies, während der Saugroboter diskret durch die Zimmer surrt. Jetzt fehlt nur noch ein Kind zum jungen Beziehungsglück. Mit Hilfe einer Leihmutter wollen sie ein Baby bekommen, das sie auch in der Multikultigegend aufwachsen lassen wollen, »divers, pluralistisch«, das finden sie wichtig, wie sie auf Nachfrage eines von den Plänen überraschten befreundeten Heteropaares bestätigen. Sie wollen sich einbringen in die Nachbarschaft, deswegen ja auch das Bäumchen. Nur blöd, dass nicht jeder diese Geste so zu schätzen weiß. Als Ben vom Fenster aus sieht, wie sich zwei junge Migranten unten auf der Straße unterhalten und sich der eine dabei so an den zarten Baumstamm lehnt, dass er sich verdächtig biegt, sucht er um Fassung bemüht das Gespräch. Als er die beiden Eritreer kurz darauf wieder am Baum stehen sieht, ruft er anonym bei der Polizei an und bittet zu »vermitteln«. Und ist umso schockierter, als die kurz darauf tatsächlich auftaucht und brutal durchgreift. 

Der israelische Regisseur Idan Haguel beginnt sein Langfilmdebüt über ein privilegiertes urbanes Milieu zunächst mit deutlich satirischen Tönen und entlarvt damit so manchen Selbstbetrug einer sich als progressiv verstehenden linksbürgerlichen Klientel zwischen gut gemeintem Handeln, Selbstverwirklichung und unangenehmen Einsichten zur eigenen Haltung und deren Folgen.

Der Ton ändert sich im Laufe des Films. Die Polizeigewalt bringt Bens Weltbild ins Wanken. Während er und Raz online nach der passenden Leihmutter suchen und die Kandidatinnen dabei wie auf einer Dating-App durchscrollen, wächst in Ben das Unbehagen. Bald reagiert der »besorgte Bürger« übersensibel auf alles, was seiner Ansicht nach in der neuen Umgebung nicht stimmt, und stellt schließlich nicht nur den Wohnort infrage, sondern auch den Entschluss, Eltern zu werden. Plötzlich wird das Viertel, dessen rauer Charme eben noch gepriesen wurde, für Ben zum unmöglichen Ort, für ihn als schwulen Mann und für ein Kind allemal. 

Haguel findet dafür immer wieder treffende Szenen, etwa wenn Ben dem Psychotherapeuten sein Leid klagt und dabei das eigene Fehlverhalten schönredet, bis er es selbst glaubt. Doch so richtig kann sich der Film nicht zwischen Charakterstudie und Sozialkritik entscheiden und bleibt in seiner Analyse letztlich oberflächlich. Themen wie Stadtentwicklung und Mietwucher, Klassismus und Rassismus werden nur angerissen, ohne tiefere Reflexion.

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