Kritik zu City of Darkness
Soi Cheangs zwischen Hommage und Nostalgie schwankender Actionfilm lässt die legendäre Hongkong-Enklave »Kowloon Walled City« noch einmal
In den 80er Jahren kommt Chan Lok-kwan von Festlandchina auf die Halbinsel Kowloon, wo er sich wie unzählige andere auch den Sprung nach Hongkong und damit den Start in ein besseres Leben erhofft. Um Geld für einen Ausweis zu verdienen, bestreitet er Freestyle-Kämpfe, wird dann aber vom Boss mit dem sprechenden Namen Mr. Big betrogen und rächt sich, indem er diesen bestiehlt. Der vermeintliche Sack voll Geld entpuppt sich allerdings als Beutel voller Drogen und sorgt in der Walled City, einem unübersichtlichen Areal, in das Chan sich vor Bigs Gang geflüchtet hat, für Probleme. Denn der dortige Gang-Boss Cyclone kann auf Stress mit Mr. Big gut verzichten, hat der es doch lange schon auf den Immobilienwert des Elendsviertels abgesehen und sieht nunmehr die Gelegenheit gekommen, die Auseinandersetzungen um das Gelände endlich zu eskalieren.
So weit die Ausgangslage in Soi Cheangs »City of Darkness«. Was folgt, ist ein zünftiger Hongkong-Actionkracher, episch, voller Pathos und von jener Art, wie sie John Woo früher gedreht hat und wie es sie schon lange nicht mehr gibt. Ebenso wenig wie es den Handlungsort noch gibt: Kowloon Walled City, ein nach dem Zweiten Weltkrieg unkontrolliert in ungeahnte Höhen gewachsener Slum rund um eine von der britischen Kolonialmacht weitgehend ignorierte chinesische Exklave. Jahrzehntelang ein quasi rechtsfreier, dichtest besiedelter Raum unter der Kontrolle der Triaden. »City of Darkness« ist wörtlich zu nehmen, insofern das Gelände derart eng bebaut war, dass kaum Tageslicht in die Straßen drang. Aus den Filmen von Wong Kar-Wai kennt man jenen Blick in den Himmel, der von einem Flugzeug verdüstert wird, das im Landeanflug die Hausdächer zu streifen scheint; auch jenen Flughafen Kai Tak mit seiner gefürchteten Anflugschneise gibt es nicht mehr, er zog 1998 nach Chek Lap Kok um. An der Stelle der Walled City, die 1993 schließlich nach langen Auseinandersetzungen abgerissen wurde, befindet sich heute ein Park.
Soi Cheang wurde 1972 in Macao geboren und ist in Hongkong aufgewachsen, hat die Blüte des Genrekinos der Kronkolonie also noch miterlebt; sein gesamtes vielfältiges Filmschaffen zeugt von Traditionsbewusstsein ebenso wie von Erneuerungswille, macht sich dabei aber nie der nostalgischen Verklärung schuldig. In »Twilight of the Warriors: Walled In« – so der Originaltitel dieser Adaption einer Graphic Novel von Yi Yu – bringt Cheang alten Adel des Hongkonger Entertainment wie Sammo Hung und Aaron Kwok gemeinsam mit verlässlichen Nachwuchskräften wie Raymond Lam und Philip Ng vor die Kamera – und kann sich dann entspannt zurücklehnen, weil alle wissen, was zu tun ist. Inmitten der von Produktionsdesigner Kwok-Keung Mak verantworteten Sets, die die Räudigkeit eines Elendsviertels gekonnt mit dem vergilbten Glamour eines Antiquitätenlagers verbinden, entfesselt Stunt-Koordinator Kenji Tanigaki in Kämpfen auf engstem Raum jenes typische Wunder-Kung-Fu: handfest und doch nicht von dieser Welt, immer wieder schlicht erstaunlich.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns