Kritik zu Berlin – Stettin
Volker Koepp blickt zurück auf sein Leben als Regisseur und auf die Biografien von Menschen, die er in seinen Filmen porträtiert hat
Seit fast 40 Jahren dreht Volker Koepp Dokumentarfilme, der neueste, »Berlin – Stettin«, ist so etwas wie ein Resümee seines Werks, eine filmische Autobiografie, für langjährige Koepp-Enthusiasten ein Geschenk. Aber auch für Zuschauer, die Koepp erst mit diesem Film entdecken, lohnt sich die Begegnung.
Volker Koepp, 1944 in Stettin (dem heutigen polnischen Szczecin) geboren, wuchs in Ostberlin auf, studierte an der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg und war ab 1970 Regisseur im DEFA-Studio für Dokumentarfilm. In der Region zwischen Stettin und Berlin, in Brandenburg, Mecklenburg und Pommern, drehte er bis zum Ende der DDR sehr viele seiner Filme. Ab 1990 kamen neue Schauplätze hinzu, meist an der Ostsee gelegen, Koepps Lieblingslandschaft.
Koepp berichtet in »Berlin – Stettin« von seiner Arbeit als Regisseur. Aber die eigentlichen Protagonisten sind Menschen, die er in seinen Filmen porträtiert hatte und die er heute wieder aufsucht, oft nach Jahren. Ausschnitte aus früheren Filmen und Aufnahmen von heute geben Einblicke in Leben, die stark von der Wende 1989 geprägt sind. Mit besonderer Zuneigung, ja Zärtlichkeit nähert Koepp sich den Frauen. Sieben Filme hatte er zwischen 1974 und 1997 allein in Wittstock gedreht, in einem der größten Textilbetriebe der DDR, in dem (außer den Chefs) nur Frauen arbeiteten. Nach der Wende wurde der Betrieb geschlossen. Einige Frauen leben noch dort, sie weinen der DDR keine Träne nach, mussten sich aber im vereinten Deutschland in immer neuen Berufen oder Jobs durchschlagen. Sie haben ein zwiespältiges Verhältnis sowohl zur Vergangenheit wie zur Gegenwart. Die einst sehr engagierte Renate fragt Koepp am Ende: »Warum hast du denn diesmal bessere Fragen gestellt?«
Tatsächlich war Koepp berühmt für seine merkwürdig vage Fragetechnik, aber er hat damit die Menschen zum Reden gebracht, sie spürten, er war kein Agent des Staates. In »Berlin – Stettin« nun redet Koepp mehr als gewohnt und konkreter als in früheren Filmen, auch von der Politik und auch von sich selbst. Koepps Filme waren immer Liebeserklärungen an Menschen. Die Missstände in der DDR und ihr Niedergang waren aber immer zu spüren, wenn auch oft in indirekter Form. Jetzt kann Koepp davon erzählen, dass er 1968 wegen seiner Sympathie für den Prager Frühling ins Blickfeld der Stasi geriet und sein erster Dokumentarfilm eine Strafarbeit war.
Volker Koepp ist nicht nur der Frauenregisseur unter den Dokumentaristen, sondern – zusammen mit seinem Kameramann Thomas Plenert – auch der Landschaftsmaler. Dafür gibt es in »Berlin – Stettin« wunderbare Beispiele. Aber die Schönheit der Natur versperrt ihm nicht den Blick auf die Missstände des Alltags, heute auf Arbeitslosigkeit, Fremdenfeindlichkeit oder Rechtsradikalismus.
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