Kritik zu Ausnahmesituation
Ein Film mit ehrenhaftem Anliegen: Er will die authentische Geschichte der Crowleys erzählen, die sich mit Erfolg für die Entwicklung eines Medikaments gegen die Erkrankung ihrer Kinder einsetzten
Morbus Pompe heißt der seltene genetische Defekt, an dem die Kinder der Crowleys litten. Dabei kommt es durch das Fehlen eines Enzyms zu einer tödlich verlaufenden Stoffwechselkrankheit. Geschätzte fünf- bis zehntausend Menschen leiden weltweit daran; mehr als 150 von ihnen sind nach Auskunft der Selbsthilfegruppe Glykogenose e. V. in Deutschland betroffen.
Soweit die Geschichte, die das Leben schrieb, und die von der Journalistin Geeta Anand 2003 zuerst für das »Wall Street Journal« zu Papier gebracht und drei Jahre später unter einem den gesamten Buchdeckel einnehmenden Titel publiziert wurde: »The Cure: How a Father raised $ 100 Million – and Bucked the Medical Establishment – in a Quest to Save His Children«. Wie das Leben so spielt, war Harrison Ford gerade auf der Suche nach einem Projekt, als er den Artikel gelesen haben soll. In dem Familienvater John Crowley, der aus Liebe zu seinen Kindern alles riskiert, entdeckte er den klassischen Alltagshelden, der wiederum vom Kino geliebt wird – und sah in dessen Biografie offenbar auch eine Plattform für Auftritte jenseits seiner schweißtreibenden Abenteuer als Indiana Jones.
Der 67-jährige Ford, der neben seiner Hauptrolle hier auch als ausführender Produzent involviert ist, spielt den verschrobenen Wissenschaftler Robert Stonehill als Raubein, der in einem Labor in Nebraska seit Jahren an einem Mittel gegen die tödliche Krankheit forscht. Der zweimal geschiedene Einzelgänger beschallt sich gern mit ohrenbetäubender Rockmusik; auf der zwischenmenschlichen Ebene hält sich das Fingerspitzengefühl des Genies in Grenzen. Im Zentrum des Films steht John Crowley, der Familienvater, den Brendan Fraser verkörpert. In einem Schlüsselmoment – der Zustand der Tochter hatte sich verschlechtert und der behandelnde Arzt sie bereits aufgegeben – lässt dieser alle beruflichen Verpflichtungen sausen und sucht den Forscher in seiner Klausur auf. Eine halbe Million Dollar verspricht er dem Widerspenstigen, um seine theoretische Forschung in die Praxis umzusetzen. Er gründet eine Stiftung und Firma, putzt mit seiner Frau (dargestellt von Keri Russell) Klinken bei Sponsoren, um die Entwicklung einer Enzymersatztherapie voranzutreiben. Der Gesundheitszustand der Kinder aber verschlechtert sich zusehends; ihnen läuft die Zeit davon.
Das Kino liebt Heldenepen von Männern, die Kräfte zu bündeln wissen und auf steinigem Weg ihr ehrenwertes Ziel erreichen. Die Tragweite dieser Ausnahmesituation korrespondiert aber zu keiner Zeit mit den Mitteln ihrer Darstellung. Schematisch werden Klischeebilder bedient wie die der herzig-tapferen Kinder in der konfliktfreien Familie, des Forschers, der jeden vor den Kopf stößt oder die der objektiven Wissenschaft verpflichteten Chefs, die am Ende die beste Entscheidung treffen. Am schwersten zu ertragen ist aber die Musik, die sich wie eine klebrige Masse über alles legt.
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