Kritik zu Alles koscher

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Die britische Culture-Clash-Komödie über die unvereinbaren Differenzen von jüdischen und muslimischen Gepflogenheiten könnte übrigens genausogut »Alles hayal« heißen: Ein Londoner Minibusunternehmer entdeckt seine wahre Herkunft

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Nicht ganz ein Jahr ist es her, da hatte in Filippos Tsitos’ Kleine Wunder in Athen der vermeintliche Ur-Grieche Stavros schwer daran zu kauen, dass er vielleicht doch nicht 100-prozentiger Hellene, sondern auch ein bisschen Albaner ist. Für Nordeuropäer, denen ja sowieso alle Südländer eins sind, eine nur schwer nachvollziehbare Verstörung. Die Relevanz des Identitätskonflikts von Mahmud, einem muslimischen Minicab-Fahrer und Familienvater in London, erschließt sich da schon leichter. Mahmud nämlich stößt bei einem Blick in seine Geburtsurkunde auf ein unerwartetes Wörtchen: Jude. Und tatsächlich stellt sich heraus, dass er erst später von einer muslimischen Familie adoptiert wurde, während sein eigentlicher Geburtsname Solomon Shimshillewitz lautet.

Nun ist Mahmud ein Moslem der integrierten Sorte, mehr dem Fußball als der Moschee zugetan. Und schneller als jedes fromme Gebet kommen ihm ein paar saftige Cockney- Flüche über die Lippen. Beunruhigend ist die Sache für ihn dennoch. Zum Problem wird sie, weil Sohn Rashid die Tochter eines islamistischen Hasspredigers heiraten will, dem deshalb musterhaft bieder-islamisches Familienleben vorgegaukelt werden soll. Druck kommt auch von der anderen Seite. Denn vor dem Sterbezimmer des ausfindig gemachten Vater Shimshillewitz wacht ein jüdisch-orthodoxer Zerberus, der von Mahmud alias Solly vor dem Einlass Grundbildung in Jewishness verlangt.

Komödienstoff satt also, hier nach einem Buch des britischen Komikers David Baddiel von einem multikulturellen Team um Regisseur Josh Appignanesi realisiert.

Hauptdarsteller Omid Djalili ist in Großbritannien ein Comedy-Star. Seine präzise Darstellung trägt auch den Film, der – besonders in der Exposition – mit einem Feuerwerk verbaler und visueller Pointen das Ausstellen und Agieren durchaus krasser ethnischer Stereotypen und Klischees durchspielt. Genial etwa Mahmuds diverse Versuche, erst allein vor dem Spiegel und dann mit Nachbar Lennys Hilfe Mimik und Gestik von muslimisch auf jüdisch (und zurück) umzuprogrammieren. Auch in der Besetzung ist es eine hübsche Idee, den Islamisten Arshad A-Masri ausgerechnet von einem jüdisch-israelischen Schauspieler (Igal Naor) darstellen zu lassen. Eine zitatreich inszenierte große Bar-Mizwa-Feier und gescheiterte Offenbarungsversuche Mahmuds (u.a. bei einem Imam, der sein Problem vorschnell aber verständnisvoll im sexuellen Bereich wähnt) sind weitere Höhepunkte des Films, der ganz nebenbei auch selten unspektakulär westeuropäisch-islamisches Mittelstands- Familienleben in seiner Alltäglichkeit zeigt.

Doch das – samt aller hübscher Ideen – reicht am Ende nicht. Das zeigt sich dann, als es an die Auflösung des Schlamassels geht und sich die angesteuerte Lösung langsam deutlicher am filmischen Horizont abzeichnet. Zusehends muss da der kühne Witz einer nicht immer stimmigen Versöhnungsmechanik weichen, die freche Kritik am ethnischen Gewese verwischt zur »nathanistischen« Botschaft religiöser Toleranz. Amüsant ist The Infidel trotzdem.

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