Kritik zu Ailos Reise
Die Naturdokumentation von Guillaume Maidatchevsky führt mit dem Rentierjungen Ailo ein Jahr lang durch Lappland, das als einzigartiges Ökosystem sichtbar wird
Wind pfeift, Schnee wirbelt durch die Luft und vage nehmen wir Bewegungen auf der eiskalt schimmernden Leinwand wahr. Langsam erkennen wir Tiere, die sich aus ihrer weißen Umgebung herausschälen und dann identifizieren wir sie als Rentiere, die stoisch und bewegungslos in dem eisig unwirtlichen Wetter ausharren. Lappland, eines der letzten Ökorefugien Europas, ist das Zuhause der Rentiere, und wenn sie keine Flechten unter den Schneebergen mehr finden, macht sich die Herde auf den Weg hinab ins Flachland, auch weil hier nun bald die Jungtiere geboren werden. Die Kühe sind hochschwanger und erwarten ihren Nachwuchs beinah zeitgleich. Nur die Mutter von Ailo kann nicht warten, sie verlässt die Herde und bringt den kleinen Rentierbullen abseits von der Sicherheit der Gruppe zur Welt, in tiefem Schnee und unsicher, ob sie ihr Kalb annehmen soll, da sie durch die Zeitverzögerung riskiert, die Herde zu verlieren. Sie entscheidet sich, ihr Kind sauberzulecken, zu säugen und sich schließlich mit großem Abstand zu den anderen auf den Abstieg ins Tal zu begeben.
Schon allein diese Eingangssequenz ist spannend beobachtet, denn wir sehen tatsächlich, wie sich die Mutter von ihrem Neugeborenen entfernt und offenbar zweifelt, ob sie ganz egoistisch die Sicherheit der Herde suchen soll, anstatt sich um ihren Nachwuchs zu kümmern. Aber ihr Mutterinstinkt siegt und Ailo hat nur wenige Minuten, um auf die Beine zu kommen und im hohen Schnee seiner Mutter hinterherzustaksen. Ab hier folgen wir ihm ein Jahr lang, bis die Rentiere ihre Route wieder zurück hinter den Polarkreis gefunden haben, Ailo ist bis dahin zu einem ausgewachsenen Bullen herangewachsen und muss nun allein zurechtkommen.
Mit Ailo lernen wir gewissermaßen die Tiere seiner Region kennen, angefangen beim Wolf, oder den hierzulande unbekannten, ebenso gefährlichen Vielfraß. Unter den kleineren sticht das Hermelin hervor, das unglaublich komisch in seiner Wendigkeit agiert, und das Verstecken spielt, um dem Fuchs zu entkommen. Die Tieraufnahmen sind so packend gedreht, dass wir in jeder Szene mit Ailo und seinen Gefährten mitfiebern. Dabei hütet sich Regisseur Guillaume Maidatchevsky davor, die Tiere zu vermenschlichen und ihnen Emotionen anzudichten, die sie nicht besitzen. Die Erzählerin Anke Engelke tut ein Übriges, die Bilder sachlich zu kommentieren.
Naturfilme und Tierdokumentationen sind ein dankbares Genre, um Familien gemeinsam ins Kino zu locken. Zudem bieten sie die Möglichkeit, den Zuschauern etwas über unser fragiles Ökosystem zu erzählen, dieses Anliegen hatten auch die Produzenten von »Ailos Reise«. Denn Lappland gehört zu den wenigen noch halbwegs intakten Wildnissen, in denen Fauna und Flora unberührt scheinen. Damit dies so bleibt, sollten wir unsere Ressourcen verantwortungsvoll nutzen, um sie nicht bald völlig zerstört zu sehen.
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