Kritik zu Abschied von den Fröschen

© Senator

2011
Original-Titel: 
Abschied von den Fröschen
Filmstart in Deutschland: 
15.03.2012
L: 
92 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Ulrike Schamoni hat aus dem Videotagebuch ihres Vaters Ulrich einen intensiven Dokumentarfilm montiert

Bewertung: 4
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Einmal ist Mel Brooks zu Besuch bei Ulrich Schamoni in Berlin. Er geht durch den üppigen Garten von dessen schöner Grunewald- Villa. Dreharbeiten für Albert Krogmanns TV-Prominenten-Magazin. Brooks raunt der Kamera zu, »Ulrick« sei schon »ein bisschen verruckt«, um dann im Haus vor einer Music- Box seinen legendären Hitler-Rap aus »Sein oder Nichtsein« (»Heil myself«) im Playbackverfahren vorzutragen.

Das ist gewissermaßen der comic relief in diesem Film, der eigentlich von Krankheit handelt, vom Sterben, aber dennoch eine unglaubliche Leichtigkeit ausstrahlt. Ulrich Schamoni hat die letzten Jahre seines Lebens vom Jahr 1996 bis zu seinem Tod im März 1998 auf Video dokumentiert, mit kleinen HD-Kameras. 170 Stunden, 170 kleine HD-Kassetten, die Schamoni wie Dominosteine auf einem Tisch gruppiert. Er wendet sich manchmal an die Kamera wie an ein größeres Publikum, manchmal hält er auch nur fest, wenn er beim Arzt war und eine neue Diagnose erfahren hat.

Aber Abschied von den Fröschen ist kein Film, der einem Menschen beim Sterben zusieht und dessen langsamen Verfall dokumentiert, ganz im Gegenteil. Es ist eher ein Film über das kleine Glück, über die schönen Tage, die einem noch beschert sind, wenn man weiß, dass man nicht mehr lange zu leben hat. Kaum verlässt die Kamera das eigene Grundstück, lieber hält Schamoni auf seinen Garten, auf die Frösche, die den zu einem Teich umfunktionierten Swimmingpool okkupiert haben, auf die Spielzeugfiguren, die er sich gekauft hat. Man merkt: Da will einer die Welt, die er liebt, seinen Kosmos, festhalten. Das hat, je länger man diesem Film zusieht, eine berührende Poesie.

Ulrich Schamoni, einer der Unterzeichner des Oberhausener Manifests, gehörte gewissermaßen zur populären Fraktion des jungen deutschen Films. Er hat mit Es im Jahre 1966 eines der ganz frühen Werke des jungen Kinos vorgelegt, die Studie einer durch eine ungewollte Schwangerschaft ausgelösten Beziehungskrise, ein Jahr später, in Alle Jahre wieder, entlarvte er die Scheinheiligkeit bürgerlicher Rituale. Aber »ein bisschen verruckt « war er auch, der Ulrich Schamoni, vielleicht der einzige Anarchist unter den Oberhausenern. In Vlado Kristls »Der Brief« ist er einer der vier Träger, zusammen mit seinen Brüdern Thomas, Victor und Peter, die einen Sarg durch München schleppen. Und in seinem »Chapeau Claque« (1974) gibt er einen Müßiggänger, der im Stil von Werner Enke Weisheiten wie »Gott gibt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht auf« zum Besten gibt. Die FSK hat damals diese Hommage an das Nichtstun erst ab 18 Jahren freigegeben.

Wenn man sich die Ausschnitte aus den einmontierten Filmen Schamonis anschaut, merkt man, dass sein Videotagebuch in gewisser Weise die Konsequenz seines Werkes ist. Immer wichtiger wird die Person Ulrich Schamoni, der ja gelernter Schauspieler war, in seinen eigenen Filmen, »Chapeau Claque« hat er, wie zwei weitere Filme, schon in der Grunewald-Villa gedreht, die er von den Erlösen seines Films Es gekauft hatte. Und in »Abschied von den Fröschen« hat er etwas vom berühmten spitzwegschen Poeten, der anstatt mit dem Stift mit der Kamera schreibt. Selten sind Leben und Werk so in eins gegangen wie bei Ulrich Schamoni. Und zuletzt kam noch der Tod dazu.

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