TVNow: »Die skandalöse Affäre der Christine Keeler«
© BBC/Ecosse Films/Ben Blackall
Irgendwo entlang der Grenze zwischen Historiendramen und True-Crime-Geschichten hat sich seit ein paar Jahren ein neues Subgenre etabliert, das mit »Skandalaufarbeitung« vielleicht am besten beschrieben ist. Und niemand widmet sich den eigenen Skandalen lieber und gründlicher als die Briten, wie nach Stephen Frears »A Very English Scandal« nun auch der Sechsteiler »Die skandalöse Affäre der Christine Keeler« unter Beweis stellt.
Die Ereignisse, um die es in der von der Autorin Amanda Coe verantworteten Serie geht, kennt man gemeinhin als die Profumo-Affäre. John Profumo, Anfang der 60er Jahre Kriegsminister der konservativen britischen Regierung und aussichtsreicher Anwärter auf den Posten des Premiers, musste – nach Monaten der Täuschungen, MI5-Untersuchungen und endlosen Presseberichte – eine Affäre mit der 19-jährigen Christine Keeler eingestehen. Ein Skandal war das nicht nur, weil der Politiker verheiratet war, sondern weil er erstens im Parlament gelogen hatte und zweitens die junge Frau auch Umgang mit einem hochrangigen Mitarbeiter der sowjetischen Botschaft pflegte und der Verdacht von Spionage und Hochverrat aufkam.
Die Geschichte des Vorfalls, in dem die treibende Kraft der Londoner Osteopath und Lebemann Stephen Ward war, der gern junge Frauen mit einflussreichen Männern zusammenbrachte, wurde schon häufiger aufgegriffen und erzählt, sei es im Film »Scandal« mit John Hurt und Ian McKellen, im Musical »Stephen Ward« von Andrew Lloyd Webber oder auch in einer Folge der zweiten Staffel »The Crown«. Was nun »Die skandalöse Affäre der Christine Keeler« auszeichnet, ist die Perspektive: Denn während der Fokus sonst meist auf Profumo oder Ward lag, interessiert sich die Serie nun maßgeblich für Keeler selbst.
Coe rüttelt nicht an hinlänglich bekannten Fakten (Keeler selbst wurde wegen Meineids zu neun Monaten Haft verurteilt), setzt aber bewusst neue Schlaglichter. Sie zeigt auf, dass nicht nur Sex und Macht, sondern auch Faktoren wie soziale Herkunft und Rassismus in dem Fall eine Rolle spielten – und begnügt sich nicht damit, ihre fraglos naive Protagonistin auf schmückendes Beiwerk oder durchtriebenes Luder zu reduzieren, wie es damals die Männer in ihrem Umfeld genauso wie die Presse taten.
Das Aufbrechen der Chronologie durch permanente Zeitsprünge wirkt, wie bei so vielen Serien dieser Tage, arg bemüht und fügt der Geschichte nichts Nennenswertes hinzu. Immerhin mindert die Erzählstruktur nicht den Reiz der temporeichen Geschichte, der sich auch daraus speist, dass der Skandal für heutige Verhältnisse eher harmlos wirkt. Ein besonderes Highlight ist neben der aufwendig-gediegenen Optik nicht zuletzt die Besetzung: Sophie Cookson ist umwerfend in der Titelrolle, James Norton als Ward sehenswert wie immer und der zu Unrecht viel zu unbekannte Ben Miles als Profumo erfreulich subtil.
OV-Trailer
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