DVD-Tipp: »Komm und sieh«
»Komm und sieh« (1985). © Bildstoerung
Es ist sicher eine der wichtigsten Heimkino-Veröffentlichungen der vergangenen Monate: Nach vielen Jahren, in denen Elem Klimovs letzter und wichtigster Film »Komm und sieh« hierzulande lediglich in einer äußerst dürftigen DVD-Edition zu haben war, hat Bildstörung dem Werk nun eine brillante Neuveröffentlichung angedeihen lassen. Die Restaurierung präsentiert sich auf Blu-ray in wunderbarer Bildqualität und mit vielen eigens produzierten Extras, die dem Stellenwert des Werks als einem der eindringlichsten und wichtigsten Kriegsfilme gerecht werden.
Die fast zweieinhalbstündige Reise in das Grauen des deutschen Vernichtungskriegs in Weißrussland 1943 ist aus der Perspektive des vielleicht 14-jährigen Flyora erzählt, der sich den Partisanen anschließt und Unfassbares erlebt. Subversiv unterläuft der Film dabei die Konventionen des Genres: Statt mitreißender »combat action« zeigen Klimov und sein Co-Autor Ales Adamowitsch den Krieg als Delirium aus Agonie und Irrsinn, Grausamkeit und Schmerz.
Basierend auf Adamowitschs autobiografisch geprägtem Roman »Die Erzählung von Chatyn«, kulminiert der Film in einer fast halbstündigen Sequenz, die die Vernichtung eines Dorfes samt seiner Bewohner schildert. Flyora ist mittendrin in diesem bizarren, in seiner Drastik schwer erträglichen »Bacchanal des Bösen« (Klimov), das an reale Verbrechen der SS-Sondereinheit Dirlewanger angelehnt ist. Doch den harschen Naturalismus konterkariert der Film auch mit einigen seltsam poetischen und stilisierten Momenten. Und immer wieder blicken Menschen in Großaufnahme direkt in die Kamera, als forderten sie uns dringend auf, uns nicht abzuwenden.
Ein kenntnisreicher Audiokommentar von Olaf Möller und Barbara Wurm ordnet Komm und sieh in Kontexte wie den Partisanenfilm und das sowjetische »Tauwetterkino« ein; eine treffende Analyse des Werks bietet der Essay von Marcus Stiglegger im Booklet. Die Bonus-Disc bietet u. a. ein 50-minütiges Porträt Klimovs und ein zeitgenössisches Making-of sowie Interviews mit Mitwirkenden. Eine dokumentarische Ergänzung zum Spielfilm sind drei Kurzdokus aus dem Jahr 1975. Zeitzeugen berichten darin von Erlebnissen, die einerseits die Realitätsnähe des Spielfilms belegen – und letztlich doch jeder fiktionalen Darstellung spotten.
OmU-Trailer
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