Serien-Tipp: »Absolutely Fabulous«
Foto: © Polyband/BBC
Was heutzutage undenkbar ist, war in den 90er Jahren noch vollkommen normal: Anderswo wird Fernsehgeschichte geschrieben – und in Deutschland bekommt es niemand mit. So geschehen im Fall von »Absolutely Fabulous«, jener Sitcom, die vom British Film Institute gar zu einer der 20 besten UK-Fernsehserien aller Zeiten gekürt wurde und in ihrer Heimat stets ein Millionenpublikum vor die Bildschirme lockte, aber bei uns bis heute vielerorts bloß Achselzucken auslöst.
Ihre Ursprünge nahm die von Hauptdarstellerin Jennifer Saunders geschriebene Sitcom mit einem Sketch in der (bei uns ebenfalls sträflich unbekannten) Show French & Saunders, dessen Prämisse dankbar schlicht war: Eine alleinerziehende Mutter in ihren Vierzigern benimmt sich verantwortungslos wie ein Teenager, während ihre jugendliche Tochter die Vernünftige ist und den Alltag schmeißt. Mit der BBC im Rücken adaptierte Saunders, damals bereits eine feste Comedy-Größe im britischen Fernsehen, ihre eigene Schöpfung als Serie. Die ersten sechs Folgen von je 30 Minuten Länge wurden Ende 1992 ausgestrahlt. Auch in »Absolutely Fabulous« spielt Saunders als PR-Beraterin Edina »Eddy« die dem Alkohol zugeneigte, Geld zum Fenster hinausschmeißende und mit Oberflächlichkeiten wie Hüftspeck, Esoteriktrends oder neuen Lacroix-Kleidern beschäftigte Mutter. Töchterchen Saffy (Julia Sawalha) steckt derweil in biederen Rollkragenpullis, gibt die züchtige Moralinstanz und kocht ihr morgens den Kaffee zum Ausnüchtern. Die zentrale Dynamik der Serie allerdings wurde zusehends eine andere, dank Eddys bester Freundin Patsy (Joanna Lumley), ihres Zeichens Redakteurin einer Modezeitschrift und dauerhaft mit Zigarette im Mund und Glas in der Hand.
Zwei Freundinnen, die hemmungslos und Außenwirkung oder gesellschaftliche Normen ignorierend dem Hedonismus frönen und in deren Alltag Männer bestenfalls am Rande vorkommen – das war Anfang der 90er Jahre nicht nur bahnbrechend, sondern traf auch einen Nerv. Mit einer eigenwilligen Mischung aus schriller Überzeichung, beißender Ironie und ausgelassener Albernheit fuhr die vor Livepublikum gefilmte Sitcom nicht nur Traumquoten, sondern auch einen BAFTA als beste Comedyserie ein. Nach zwei weiteren Staffeln sowie zwei Sonderfolgen sollte 1996 eigentlich Schluss sein, bevor die Nachfrage seitens Fans und Sender ab 2001 auch noch zu den Staffeln vier und fünf sowie abermals zwei Specials und schließlich anlässlich des 20-jährigen Jubiläums noch einmal drei Folgen führte.
In Deutschland war es unterdessen ein Kinderspiel, von all dem nichts mitzubekommen. Nachdem die ersten Folgen zunächst beim damals noch jungen Pay-TV-Sender Premiere liefen, holte später Arte die Serie ab und zu ins Nachtprogramm. Immer mal wieder fand man sie auch auf Nischensendern wie tm3 oder einsfestival, doch große Notiz nahm von »Ab Fab« (wie Fans den Titel gerne abkürzen) – zumal in Zeiten vor Twitter, Downloads und Streamingdiensten – hierzulande kaum jemand.
»Erklären kann ich mir das Desinteresse bei euch nicht wirklich«, zuckt Saunders beim Interviewtermin anlässlich der Premiere von »Absolutely Fabulous« – Der Film mit den Schultern. »An unserem Humor kann es eigentlich nicht gelegen haben. Zumindest habe ich den nie als dezidiert britisch, sondern immer recht universell empfunden.« Auch die mangelnde Kenntnis der britischen Popkultur- und Medienlandschaft, die einen bisweilen durchaus ein paar Gags über die Dauergäste im Klatschblatt »Hello« verpassen lässt, reicht nicht als Erklärung, wie der Blick in andere Länder zeigt: In den Niederlanden wurde die Serie ein riesiger Hit, und in Frankreich war man sogar derart begeistert, dass sie dort 2001 zu einem Kinofilm namens »Absolument fabuleux« verarbeitet wurde (mit Josiane Balasko und Nathalie Baye in den Hauptrollen). In den USA, wo »Ab Fab« bis heute immer wieder im Kabelfernsehen wiederholt wird, traten Saunders und Lumley in ihren Paraderollen sogar in einer Folge der Erfolgssitcom »Roseanne« auf, deren Schöpferin Roseanne Barr auch ein US-Remake (mit Carrie Fisher) auf die Beine zu stellen versuchte.
Zu den frühesten und leidenschaftlichsten Anhängern der Serie gehören – auch in Deutschland – ihre schwulen Zuschauer, von denen sich nicht wenige Eddys Standard-Anrede »Sweetie, Darling« zu eigen gemacht haben. Dass »Ab Fab« von Beginn an mit größter Selbstverständlichkeit homosexuelle Figuren wie Eddys Exehemann oder ihren Sohn Serge einführte und beiläufig Themen wie Transsexualität oder die Homoehe in die (stets hinter den Gags zurücktretende) Handlung einflocht, dürfte ein Grund dafür sein. Vielleicht auch Patsys Selbstbild als männerfressender Vamp, Eddys Vorliebe für Glamour und Luxus oder ganz allgemein die Freude an Champagner schon zum Frühstück. »Abgesehen davon«, betont Saunders, »standen diese beiden Frauen immer beispielhaft für Menschen, die sich nicht das geringste bisschen darum scheren, was andere Leute von ihnen denken oder ob schlecht über sie geredet wird. So wie es ihnen selbst immer egal war, ob ihr Gegenüber homo, hetero oder sonst etwas war.«
Auch innerhalb der Unterhaltungsbranche fand »Absolutely Fabulous« früh eine große Anhängerschaft. Kam die erste Staffel noch komplett ohne Gaststars aus, gab sich später mit steigender Frequenz Prominenz die Klinke in die Hand, von Britt Ekland und Naomi Campbell über Marianne Faithfull und Whoopi Goldberg bis hin zu Jean-Paul Gaultier und Elton John. Selbst wer in der Serie regelmäßig sein Fett wegbekam, ließ sich einen Auftritt nicht entgehen: Modedesigner Christian Lacroix, dessen knallbunte Entwürfe für einige Lacher gut sind, spielte mehrmals sich selbst, genau wie die Popstars Lulu und Emma »Baby Spice« Bunton als Eddys lästige, weil erfolglose Klientinnen.
Dass »Ab Fab« auch darüber hinaus in der Popkultur bleibende Spuren hinterlassen hat, ist unbestritten. »Ich weiß, dass Sarah Jessica Parker und die Autoren von Sex and the City große Fans unserer Show waren, deswegen gefällt mir natürlich der Gedanke, dass wir ihrer Serie ein wenig den Weg bereitet haben«, lacht Saunders bei der Erwähnung einer anderen Comedyserie, in der Freundinnen gerne zusammen trinken, in Mode schwelgen und kein Blatt vor den Mund nehmen. »Gemeinsam ist den Serien auch, dass sie Frauen zeigen, die füreinander da und durchaus meinungsstark sind«, pflichtet Lumley ihr bei. »Mit dem Unterschied allerdings, dass es Eddy und Patsy nie auch nur im entferntesten darum ging, den Mann fürs Leben zu finden.«
Der Blick zurück auf »Absolutely Fabulous« in seiner Gesamtheit – etwa dank der aktuell bei Polyband erschienenen, erstmals sämtliche Episoden und Specials umfassenden 10-DVD-Box – lohnt sich in jedem Fall auch heute noch. Weil die Gags (anders als etliche der 90er-Jahre-Kostüme und -Kulissen) bemerkenswert gut gealtert sind und nichts von ihrem Biss verloren haben. Aber auch als Zeugnis dafür, wie sehr die Serie bisweilen thematisch ihrer Zeit voraus war. Wirkten Eddy und Patsy in ihrem unverblümten Narzissmus vor 20 Jahren noch schockierend unverschämt und surreal, haftet ihnen heute – in Zeiten von Instagram-Selfies und Kardashian-Wahn – geradezu etwas Naiv-Anachronistisches an.
Trotzdem wäre es heute kaum möglich, eine Sendung wie »Ab Fab« auf den Bildschirm zu bringen, meint Saunders: »Am Anfang gab es bei der BBC schon etliche ältere Herren, die nicht begeistert waren. Sie fanden betrunkene Frauen abstoßend und waren der Meinung, dass so etwas nicht auf den Bildschirm gehöre. Doch letztlich hat man uns einfach machen lassen, allen Risiken zum Trotz. Heute müsste man für eine solche Serie ständig Meetings mit Anzugträgern abhalten, Drehbücher abnicken lassen, Testszenen drehen. Alles würde überprüft und getestet und mit der Marktforschung abgeglichen. Ich wäre vermutlich nach fünf Minuten frustriert abgehauen und hätte mich lieber zu Hause der Gartenarbeit gewidmet.« Stattdessen schreibt sie nun im Kino dieses umwerfend komische Kapitel Fernsehgeschichte einfach weiter – und schließt es damit nicht zwangsläufig ab. »Warten wir mal ab«, gibt sie vielsagend mit Blick auf die Zukunft von Eddy und Patsy zu Protokoll. »Es würde mich wundern, wenn wir nicht noch einmal von den beiden hören.«
»Absolutely Fabulous« – Der Film startet am 8. September
Kommentare
Absolutely Fabulous
Ich würde mich sehr freuen diese Serie noch einmal zu sehen Es ist eine tolle Performance von den Beiden
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