arte-Mediathek: »Black Far West – Nicht alle Cowboys waren weiß«
Wenn es ein Thema gibt, das die Macht filmischer Manipulation belegt, dann sind es die Leinwandmythen vom Wilden Westen. Schwarze Gesichter sieht man selten, wenn Siedlertrecks gen Westen ziehen, tapfere Soldaten gegen »Indianer« kämpfen, schießfreudige Sheriffs für Ordnung sorgen, Cowboys ihre Herden durch die Prärie treiben. Dabei ist schon der Begriff »Cowboy« verräterisch. Kuhjungen als Kinohelden? Das Wort geht zurück auf die Zeit der Sklavenhalter, die Schwarze Männer verächtlich als »Boy« ansprachen. So auch ihre Viehhirten, die »Cowboys«.
Die französische Filmautorin und -regisseurin Cécile Denjean kommt in ihrem aufwendig produzierten Dokumentarfilm »Black Far west – Nicht alle Cowboys waren weiß« immer wieder auf das Kino zurück. Falsch allerdings ist die eingangs aufgestellte Behauptung: »Hollywood hat eine Legende mit ausnahmslos weißen Helden erschaffen.« In Hollywood ansässig war die von Afroamerikanern geführte Lincoln Motion Picture Company, die Filme für die Schwarze Bevölkerung produzierte, darunter Westernmelodramen. Begreift man Hollywood als Synonym für die gesamte US-Filmindustrie, darf der Independentfilmer Oscar Micheaux nicht fehlen, der beispielsweise in »The Virgin of Seminole« einen kanadischen Mountie schwarzer Hautfarbe zur Hauptfigur machte. In jüngerer Zeit wirkten, um nur einige zu nennen, Woody Strode, Ossie Davis, Sammy Davis jr., Dionne Warwick, Sidney Poitier, Harry Belafonte, Ruby Dee in Hollywood-Western.
Dennoch trifft fraglos zu, dass Hollywoods Filmschaffende unsere Vorstellung vom Wilden Westen modellierten. Denjean zieht Archivmaterial und auch Spielfilme heran, um ihr Thema zu illustrieren. Gelegentlich entsteht der Eindruck, die schwarz-weißen Spielszenen hätten dokumentarischen Charakter. Was selbstverständlich nicht der Fall ist – es waren keine Filmkameras zugegen, als nach dem US-Bürgerkrieg 500 000 Afroamerikaner die Freiheit erlangten. Einige gerieten gleich wieder in Abhängigkeit, dieses Mal finanzieller Art. Andere schlossen sich der Armee an, wurden Trapper, zogen zu indigenen Stämmen, gründeten dort Familien. Mit Bass Reeves gab es sogar einen filmreifen Schwarzen Revolverhelden und Gesetzeshüter. Reeves soll Vorbild gewesen sein für die Serial-Figur »The Lone Ranger«.
Die befragten Historikerinnen und Historiker machen kein Hehl aus den beschämenden Kapiteln der Schwarzen Geschichte. Ehemalige Sklaven beteiligten sich als Soldaten an den Massakern an indigenen Stämmen. Die widersprüchlichste Gestalt war James Beckwourth, der sich den Crow anschloss, mit ihnen kämpfte, gar zum Kriegshäuptling ernannt wurde. Später führte er als Armeescout Truppen in die ihm wohlbekannten Stammesgebiete. So jedenfalls steht es in seiner Autobiografie. Ob die zur Gänze stimmt, ist umstritten.
In der Darstellung der Grundlinien historischer Ereignisse erweist sich diese Arte-Koproduktion trotz einiger Vorbehalte als hochgradig informativ. Hernach wird man Westernfilme, insbesondere einige Klassiker, mit anderen Augen sehen.
Stream (YouTube bis 14.2.25)
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