Kritik zu Mandela: Der lange Weg zur Freiheit
Schon vor dem Tode von Nelson Mandela abgedreht, wird diese Filmbio zur posthumen Würdigung einer zeitgeschichtlichen Ikone
Nelson Mandela ist eine Ikone, auf die sich alle Lager verständigen können. Als Freiheitskämpfer und als südafrikanischer Präsident, der die Nation einte, steht er zugleich für Kampf und Aussöhnung. Er ist der kleinste gemeinsame Nenner unter den zeitgenössischen Helden. Und dies ist vielleicht der Grund dafür, dass diese Hommage so vorsichtig und konventionell ausfällt. Richtig nahe kann oder will die Verfilmung dieser Persönlichkeit, schon zu Lebzeiten zur Legende entrückt, nicht kommen.
Natürlich ist es unmöglich, dieses Leben – Mandela starb am 5. Dezember 2013 im Alter von 95 Jahren – in knapp zweieinhalb Stunden zu würdigen. Um zumindest die entscheidenden Stationen abzuhaken, wählt Regisseur Justin Chadwick (Die Schwester der Königin) die Form einer stark kondensierten, sprunghaft wirkenden Chronologie. Zunächst entfaltet sich ein pittoresker Bilderbogen von Mandelas Heimatdorf in der Transkei bis nach Johannisburg, wo der Häuptlingssohn in den 40er Jahren studiert, heiratet und als Anwalt arbeitet. Die zunehmend restriktive Rassentrennungspolitik der weißen National Party, deren Gesetze im Alltag der »Kaffer« zu empörender Ungerechtigkeit führen, bringen den intelligenten Aufsteiger in Kontakt mit den Gründern des ANC. Als zunächst gewaltloser, dann Gewalt befürwortender Aktivist – als Wendepunkt gilt das Massaker von Sharpeville 1960 – geht der zum Sprachrohr der Anti-Apartheid-Bewegung aufgestiegene Mandela in den Untergrund. Seine Verurteilung zu lebenslanger Haft auf Robben Island 1964 stärkt nur seine Entschlossenheit – die sich mit seiner Freilassung 1990 schließlich voll entfalten kann.
Als kontrapunktischer roter Faden dieser einzigartigen Karriere dient Mandelas Beziehung zu seiner zweiten Frau Winnie. In dem Maße, in dem Mandela seine Haltung ändert und für die Weißen wählbar wird, radikalisiert sich Winnie – die während Mandelas Haft von der Polizei terrorisiert wird. Die späte Trennung Mandelas von seiner großen Liebe erscheint, zusammen mit weiteren Schicksalsschlägen, als die große Tragödie seines Lebens. Die Szenen dieser Ehe, von der ersten Begegnung des jungen Mandela mit seiner willensstarken Seelenverwandten bis hin zur Entfremdung des Powerpaares, gehören zu den wenigen wirklich intensiven Momenten. Idris Elba (»The Wire«, Thor), obgleich Mandela nicht besonders ähnlich, imitiert gekonnt dessen Haltung und macht das Charisma, das »Kraftfeld«, das Mandela laut Zeitzeugen umgab, begreiflich. Naomi Harris, als rachsüchtige Meeresgöttin Calypso in Fluch der Karibik bekannt geworden, ist auch als Winnie eine Frau, mit der man sich ungern anlegen würde. Daneben erzeugen besonders Mandelas Treffen mit den Präsidenten Botha und De Klerk Gänsehaut. Auch das Produktionsdesign dieses bis jetzt teuersten südafrikanischen Films ist der Größe des Nationalhelden angemessen – sieht man vom Make-up von Elba als ergrautem Mandela ab. Kameramann Lol Crawley badet die Außenszenen in jenes honigfarbene, gleißende Licht, das das Kap auch bei Werbefilmern zur bevorzugten Location gemacht hat.
Dennoch lässt einen diese filmische Huldigung etwa im Vergleich mit den Mandela-Filmen Invictus und Goodbye Bafana, die gewiss ihre kitschigen Seiten haben, oft eher kalt. Denn zu einem lebendigen Porträt gehören auch jene schillernden Facetten, die eine Lichtfigur erst menschlich machen. Bedauerlich ist nun weniger, dass Mandelas Hallodriphase in Johannesburg oder seine Reisen in Guerillalager verkürzt abgehandelt werden. Schwerer wiegt das Übergehen von Mitstreitern wie Walter Sisulu und Ahmed Kathrada, die vorwiegend Statisten bleiben. So klebt das Drehbuch an der Titelfigur, ohne ihr Tiefe zu verleihen: Es fehlt der Resonanzraum, in dem Mandelas Charakter, seine politische Willensbildung erst spannende Konturen gewinnen könnten. Tatsächlich ist auch Mandelas 1994 veröffentliche Biografie, auf der die Filmbiografie basiert, in dieser Hinsicht unergiebig. Deshalb überzeugt der Film – dem mit Sicherheit andere mit weniger hagiographischer Perspektive folgen werden – vor allem als Anreiz, sich mit dieser Jahrhundertfigur genauer zu beschäftigen.
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