Netflix: »Achtsam morden«

»Achtsam morden« (Serie, 2024). © Stephan Rabold / Netflix

© Stephan Rabold / Netflix

Mord-Life-Balance

Achtsamkeit, so steht es gleich am Anfang des entsprechenden Wikipedia-Eintrags, sei unter anderem eine Methode zur Verminderung von Leiden. Für den Anwalt Björn Diemel (Tom Schilling) in der Serie »Achtsam morden« ist auch genau das das Ziel, als er sich – eher widerwillig und nur auf Drängen seiner Ehefrau Katharina (Emily Cox) – bei einem Seminar anmeldet, das ihn in Sachen Work-Life-Balance weiterbringen soll. Denn Diemel leidet ziemlich viel. Bei der Arbeit, weil er in der Kanzlei kleingehalten wird, sich aber trotzdem vor allem um Gangsterboss Dragan Sergowicz (Sascha Geršak) und dessen dreckige Geschäfte kümmern muss. Und privat, weil er ebenso zäh damit ringt, dass für Tochter Emily nie Zeit bleibt und die Gattin entsprechend sauer ist.

Bald stellt sich heraus, dass das mit der Achtsamkeit unter Anleitung seines Coaches (Peter Jordan) für Diemel ziemlich schnell ziemlich gut funktioniert. So gut sogar, dass das mit dem Leiden ins Gegenteil umschlägt. Bei Diemel, weil er vor lauter Tiefenentspannung und Fokussierung plötzlich sehr klar sieht, wie er für seine Kleine der bestmögliche Vater sein und im Job die richtigen Prioritäten setzen kann; und genau anders herum für den Mann in seinem Kofferraum, der stattdessen die volle Breitseite Leiden abbekommt. Denn der bis dato unbescholtene Anwalt lässt ihn dort so lange buchstäblich schmoren, bis nur noch eine Leiche übrigbleibt, die es zu entsorgen gilt.

Dass Diemel, nur halb beabsichtigt (und nicht bloß einmal), zum Mörder wird und womöglich nicht nur die Polizei auf den Fersen hat, verrät »Achtsam morden« nach dem Bestseller von Karsten Dusse gleich zu Beginn der ersten von acht Folgen. Und im Anschluss enthüllt jeder Episodenauftakt einen ersten Clou, bevor die Geschichte das Ganze noch mal von vorn erzählt. Dieser narrative Kniff ist eines von vielen Elementen in dieser unter anderen von Head-Autorin Doron Wisotzky und Regisseurin Martina Plura verantworteten Serie, die ein wenig unausgegoren, wenn nicht gar überflüssig wirken. Auch dass der Protagonist seine eigene Story mal aus dem Off und mal direkt in die Kamera erzählt, dass mitunter visuelle Spielereien auch noch dem letzten Zuschauer überdeutlich das Geschehen erklären und dass der Grad der Überzeichnung arg schwankt, fällt in diese Rubrik.

»Achtsam morden« ist nie so abgründig wie »Dexter« und nie so witzig wie »Barry«, doch allein die Tatsache, dass man diese beiden legendären Antihelden als Vergleich bemüht, darf diese deutsche Netflix-Produktion aus dem Hause Constantin als großes Kompliment verstehen. Irgendwo zwischen Gangsterkrimi und schwarzer Komödie findet die Serie zusehends ihren eigenen Rhythmus und Charme, auch weil Tom Schilling sich der Rolle mit Wonne annimmt. Er beginnt die Geschichte fast in der gleichen Lebenslage wie kürzlich seine Figur in »Eine Million Minuten« und endet weiter weg davon, als man sich das hierzulande in der Regel vorstellen kann. Vor allem dafür lohnt sich das Streamen, nicht so sehr für die erzählerischen Mätzchen.

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Meinung zum Thema

Kommentare

Hab versuch ich schon seit einem Jahr zu lesen. Aber weiter als bis zum 2. Kapitel bin ich noch nicht gekommen. Vielleicht schaffe ich es ja nach diesem Fulm

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