ARD-Mediathek: »Powerplay – Smart Girls Go for President«
© NDR/Motly/Novemberfilm/NRK
Das sollte man gesehen haben: Die amtierende norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland (Kathrine Thorborg Johansen) wartet in Räumlichkeiten der Freimaurerloge in Trondheim mit ihrem Herausforderer Kåre Willoch auf den Beginn der Fernsehsendung, in der sie ein letztes Mal vor dem Wahltag miteinander diskutieren werden. Die Aufnahmen verzögern sich, es gibt Probleme mit dem Strom. Willoch versucht eine unverbindliche Plauderei.
Zuvor will einer von Brundtlands Mitarbeitern draußen ein Nilpferd gesehen haben. Brundtland tut das als Unsinn ab. Nach einem Gang zur Toilette hört sie von fern ein wildes Schnauben, Toben, Klirren. Doch ein Nilpferd? Brundtland und Willoch geraten darüber in einen sachlichen Austausch, diskutieren die Möglichkeit, dass sich ein Nilpferd im Haus befindet, streiten, ob Nilpferde schwimmen können. Plötzlich ist die TV-Diskussion zu Ende. Von ihnen unbemerkt waren die Kameras eingeschaltet worden
Brundtlands und Willochs Wortwechsel ist so absurd und mehrdeutig, als wäre er von Samuel Beckett und John Cleese nach Sichtung der US-Serie »Moonlighting« verfasst worden. Der Ruhm gebührt Johan Fasting, gemeinsam mit Kristin Grue und Silje Storstein Schöpfer der überbordend ideenreichen Politserie mit dem missglückten deutschen Titel »Powerplay – Smart Girls Go for President«, im Original schlicht »Makta« (Macht).
Die erste Staffel folgte dem Weg Brundtlands von einer wenig bekannten Nachwuchspolitikerin der sozialistischen Arbeiterpartei in das Amt der Umweltministerin, wider männliche Arroganz und heimtückische Intrigen. Die zweite Staffel zeigt sie als Ministerpräsidentin. Eine Episode spielt auf der Insel Utøya, die später durch den rechtsradikalen Amokläufer Anders Behring Breivik tragische Berühmtheit erlangen sollte, hier aber als idyllische Kulisse für die Begegnung Brundtlands mit den aufmüpfigen Jungsozialisten dient.
Auch Brundtlands innerparteilicher Widersacher Reiulf Steen besucht das Feriencamp. Fern des hektischen Politbetriebs kommt es zu einer Aussprache. Nach einem Moment der Harmonie wendet sich die Stimmung: Brundtland erinnert Steen daran, dass diese Begegnung zu ihrem Bedauern nie stattgefunden hat. Sie ist eine Erfindung des Autorenteams.
Dieses respektlose, gekonnte Spiel mit Erfindung, nachgestellten Szenen und echtem Dokumentarmaterial definiert die Ausnahmequalität dieser Serie. Fasting, Grue und Storstein haben eine Art dekonstruktivistische Erzählform geschaffen. Sie zerlegen die inhaltlichen wie die handwerklichen Bausteine, mischen sie durch und fügen sie neu zusammen. Typisch: das Durchbrechen der vierten Wand. Einmal bricht Brundtland eine Szene ab und beschwert sich beim Team. Aber hier klagt nicht die Schauspielerin Johansen über ihre Rolle, sondern immer noch die Kunstfigur Brundtland, die sich in den Drehbüchern falsch dargestellt sieht.
OV-Trailer
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