ZDF-Mediathek: »In Her Car«

»In her Car« (Serie, 2024). © ZDF/Roman Lisovsky

»In her Car« (Serie, 2024). © ZDF/Roman Lisovsky

Chauffierdienst im Bombenhagel

In produktionstechnischer Hinsicht dürfte »In Her Car« die ungewöhnlichste Serie des Monats, vielleicht des Jahres werden. Sieben europäische öffentlichrechtliche Sender taten sich zusammen, um eine Serie zu produzieren, die aktuelle, auf Tatsachen basierende Geschichten aus der Ukraine erzählt. Und die im Raum Kiew unter denkbar schwierigsten Bedingungen gedreht wurde.

Die Psychotherapeutin Lydia Monastyrska ist mit ihrem Pkw unterwegs nach Kharkiv, als der Krieg ausbricht. Unterwegs bietet sie Olya, die im nahe Kharkiv gelegenen Poltava eine Erbschaftsangelegenheit regeln möchte, eine Mitfahrgelegenheit an. Unvermeidlich wird sie in das Familiendrama einbezogen. Olyas Schwester hatte ihr einst den Freund Kolya ausgespannt, der allerdings noch am Hochzeitstag wieder mit Olya anbandelte. Der Höhepunkt einer bereits schwelenden Geschwisterfehde. Die Fahrt wird abenteuerlich. Die Frauen müssen Straßensperren passieren, werden von nervösen Soldaten kontrolliert, erleben den russischen Bombenhagel. Lydia ist kurz davor umzukehren.

Die Episode veranlasst Lydia, ihren sonst psychologischen Themen vorbehaltenen Internetkanal anders zu nutzen. Sie bietet Fahrdienste an, bevorzugt an Frauen und Kinder, die vor der heranrückenden Front fliehen möchten.

Aus dieser Exposition entwickeln sich zehn Geschichten, zusammengehalten von der Hauptfigur Lydia. Ein übergreifender Handlungsbogen gilt dem Tod ihrer Schwester Natalia, die 2014 im Zuge der Flucht aus Luhansk ums Leben kam, als ein Bus von einer Granate getroffen wurde. Natalia und andere standen in Opposition zur Separatistenbewegung und deren russischen Partnern. Einiges ist nicht geheuer an diesem Vorfall. Lydia versucht, die Hintergründe zu erhellen, Beweise zu sammeln. Auch ihr Noch-Ehemann Dima scheint in die Sache verwickelt.

Natalia war Schauspielerin und hatte für ihre Schwester Lydia Märchen eingelesen, die sie an ihre Jugend erinnerten. Lydia hört die CD während ihrer langen Autofahrten. Das auszugsweise eingeblendete jeweilige Märchen korrespondiert stets mit der Episodenhandlung, ein Widerhall der harten Realität auf einer poetischen Ebene. Ein Vorgriff vor der Titelsequenz sorgt für einen Spannungseffekt, Vorgeschichten werden in der Form von Rückblenden erzählt, in konsekutiver Form auch das Drama um Lydias Schwester und die Verstrickungen ihres Gatten Dima. Von dem möchte sich Lydia scheiden lassen, doch seit Kriegsausbruch haben die ukrainischen Gerichte ihre Tätigkeit eingestellt.

Wie nahe sich in dieser Serie Fiktion und Realität kommen, zeigt der Umstand, dass der Ehemann und der Bruder der Hauptdarstellerin Anastasia Karpenko, 2022 mit dem Film »How Is Katia?« in Locarno zur besten Schauspielerin gewählt, zur Zeit der Dreharbeiten im Militärdienst waren. Die Kulissen entstanden nicht im Studio: Gedreht wurde in echten Ruinen, unter anderem in Borodjanka, nur wenige Kilometer entfernt von Butscha.

OmeU-Trailer

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