Sky: »Enlightened«

»Enlightened« (Staffel 1, 2011). © HBO

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Jeder denkt an sich, nur ich denke an mich

Durch den großen Erfolg der Serie »White Lotus« war deren Macher Mike White plötzlich in aller Munde. Tatsächlich kann White auf eine 25-jährige Karriere zurückblicken, mit Drehbüchern unter anderem zu Richard Linklaters »School of Rock« und Regiearbeiten wie der bitteren Tragikomödie »Im Zweifel glücklich« mit Ben Stiller.

Im Jahr 2011, also noch vor der Streaming-Ära, war White zudem der kreative Kopf hinter der HBO-Serie »Enlightened«, die allerdings nach zwei Staffeln eingestellt wurde. Aus heutiger Sicht ist das einigermaßen unverständlich, denn die Serie ist großartig gespielt, auf scharfsinnige Weise humorvoll und auf unerwartete Weise vielschichtig – mit einer Protagonistin, die nicht unbedingt zur Identifikation einlädt. Womöglich war »Enlightened« seiner Zeit voraus. Neben White selbst führten unter anderem Todd Haynes, Jonathan Demme und Nicole Holofcener Regie. Heute ist die Serie bei Wow verfügbar.

Laura verkörpert darin die 40-jährige Amy, die als Führungskraft in einem großen Unternehmen arbeitet; in den ersten Minuten der ersten Folge erleidet sie einen öffentlichen Nervenzusammenbruch, für den es durchaus gute Gründe gibt. Nach einer Auszeit in einer esoterischen Reha-Klinik auf Hawaii kehrt sie als »neuer Mensch« in ihre alte Firma zurück, fest entschlossen, mit ihrer auf Hawaii gewonnen »Erleuchtung« die Welt zu verbessern. Allerdings wird Amy nicht freudig empfangen, sondern im wahrsten Wortsinn in den Keller verbannt, versorgt mit einer sinnlosen Tätigkeit, umgeben von Kollegen, die man – wie Amy – nicht so einfach feuern kann.

Dieses Sammelsurium aus Freaks und Geeks eröffnet zahlreiche Möglichkeiten für galligen Humor und skurrile Szenen um neoliberale Unternehmenskultur (White selbst spielt einen nerdigen IT-Spezialisten). Wie auch bei »White Lotus« liegt eine Stärke der Serie darin, die zahlreichen Figuren nicht um Sympathie buhlen zu lassen. Man muss sie nehmen, wie sie sind. Das gilt insbesondere für Amy, die unbeirrbar Gutes tun will, dabei aber einerseits heillos naiv, zunehmend aber auch enervierend egoman wirkt. Andere Menschen sind ihr nur Mittel zum Zweck, letztlich geht es ihr vor allem um sich selbst.

Es ist neben den smarten Drehbüchern vor allem der großartigen Laura Dern zu verdanken, dass man diese Frau dennoch irgendwie mögen muss. Amys Idealismus mag narzisstisch fehlgeleitet sein, doch immerhin hat sie welchen. Solche Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten entwickeln sich bei fast allen Figuren, sei es Amys drogensüchtiger Ex-Mann (Luke Wilson), ihre dominante Mutter (gespielt von Derns realer Mutter Diane Ladd) oder eine doppelzüngige Ex-Kollegin (Sarah Burns). Der leichtfüßige Ton täuscht darüber hinweg, dass White es dem Zuschauer gar nicht so einfach macht. Wenn Amy in der zweiten Staffel zu einer hehren Whistleblowerin avanciert, verliert die Serie zwar etwas an Biss, aber den faszinierenden Schwebezustand zwischen fremdschämiger Nervigkeit und bewundernswerter Konsequenz behält »Enlightened« bis zum Schluss bei.

OV-Trailer

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