Pre- und Sequel schon da, Film fehlt

Die IMDB verlinkt regelmäßig zu einer Dienstleistung, die Collider.com anbietet. Ihr Zweck erschloss sich mir bisher nicht, obwohl der Ratschlag „How to watch...“ durchaus intrigierend klingt. Erhält man Anleitungen, in welcher Gemütsverfassung oder mit welchem Vorwissen man einen anstehenden Film schauen soll? Da mich „Black Adam“ ratlos zurückgelassen hat, war ich für jede diesbezügliche Empfehlung dankbar. Nennen wir es ruhig eine Verzweiflungstat, dass ich erstmals die Seite anklickte.

Das „Wie“ war freilich eine Mogelpackung und entpuppte sich als banales „Wo“. Kein moralischer Beistand weit und breit - statt dessen nur Hilfestellungen, wo man nach Kinos suchen kann, in denen er heute startet sowie die Nichtinformation, das Datum für den Streamingstart stünde noch nicht fest. Da dies aber ein Warner Bros-Film sei, würde er auf HBO Max stattfinden. Nachdem das Studio im Zuge der Fusion mit Discovery ihr potenzielles Franchise „Batgirl“ komplett begraben haben, könnte „Black Adam“ nun über Wohl und Wehe des DC-Universums entscheiden. Die Collider-Warnung „Tickets are selling out fast“ verwunderte mich indes; sie gehört wahrscheinlich zum Standard ihres Textformats. Ich hingegen prophezeie eine weitere dunkle Stunde für das angeschlagene Universum: Die Mundpropaganda wird verheerend sein.

Tatsächlich wirft „Black Adam“ eine Menge weiterer W-Fragen auf. Wann, wie, wo und warum ging das Ganze so gründlich schief, und wer trägt dafür die Verantwortung? Ein Enthüllungsbuch über diese angekündigte Katastrophe wäre bestimmt lehrreich. Dergleichen gab es einmal über Brian de Palmas Verhunzung von „Fegefeuer der Eitelkeiten“. Das las sich spannend, blieb als Menetekel jedoch relativ folgenlos im Hollywoodgeschäft. Welche Folgen „Black Adam“ haben wird, steht noch in den Sternen. Das Projekt war seit15 Jahren ein Steckenpferd von Dwayne Johnson, der mit ihm als Schauspieler und Produzent viel vorhat. Die Post-Credit-Sequenz stellt das in Aussicht. Gemeint ist sie wohl als ein Versprechen, nach Adams erstem Einsatz klingt es für mich wie eine Drohung.

Regisseur Jaume Collet-Serra, dessen Liam-Neeson-Vehikel ich mochte, hatte inmitten der Spezialeffekte-Gewitter wohl wenig auszurichten. Wären Schuldzuweisungen an die Adresse Johnsons angemessen? Immerhin ein Vanity-Projekt für ihn, zugleich aber auch ein Versuch, die Galerie der Superhelden ethnisch zu diversifizieren. Die Comicfigur ist ein ehemaliger Sklave, der das Land Kahndaq (irgendwo zwischen Irak und Sudan, nehme ich an) befreien will, vor 5000 Jahren und heute erst recht. Topographisch kehrt der ehemalige Wrestler gewissermaßen zu den ersten Schritten zurück, die er im Kino als „Scorpion King“ tat. Seinerzeit hatte er noch mächtig zu kämpfen mit so verdrießlich mehrsilbigen Vokabeln wie „Mesopotamien“. Derlei Anfechtungen bleiben ihm jetzt erspart; obwohl er inzwischen längst kein radebrechender Darsteller mehr ist, sondern ein ironiebegabter. Die steht ihm hier nicht zu Gebot. Teth-Adam ist kurz angebunden. Sarkasmus gehört noch nicht zu seinem Repertoire.

Ich kann mich an keine Darstellung Johnsons aus den letzten Jahrzehnten erinnern, die so monoton war. Dabei ist die Figur ja gebrochen, ein Antiheld, ein Bösewicht gar, der keine Rücksicht kennt und jede Menge Kollateralschaden anrichtet. Mit einigem Wohlwollen könnte man sagen, er sei ambivalent gezeichnet im Film. Aber das ist nicht angebracht. Es herrscht totale Unschlüssigkeit darüber, was mit dieser Figur anzufangen wäre. Sie schillert nicht, vielmehr werden sein Verhalten und Wesen alle fünf Minuten revidiert. Es geht hin und her. Das betrifft auch alle anderen Charaktere, die mal Widersacher und mal Waffengefährten sind. Sie gewinnen keine Konturen, das Drehbuch weiht nie darin ein, was genau sie vorhaben und warum. Sie finden sich lediglich in lauter Situationen wider, die man schon in anderen, besseren Filmen gesehen hat.

Trotz der langen Vorbereitungszeit wurde „Black Adam“ offensichtlich mit heißer Nadel gestrickt. Das Drehbuch irrlichtert. Es ist, abgesehen von den enervierend repetitiven Kampfszenen, reine Exposition. Ständig muss eine Vorgeschichte von irgendeiner Figur aus dem Off erklärt werden, um sich dann unversehens in eine neue Variante zu kehren. Superheldenfilme finden ja nie ein Ende, sie dürfen es gar nicht: Einer ist Platzhalter für den nächsten. „Black Adam“ ist noch kurioser: eingangs sein eigenes Prequel und im letzten Drittel dann sein Sequel. Fast erfüllt sich hier die Produzentensehnsucht, die David Mamet in seiner Hollywood-Abrechnung „Die Gunst der Stunde“ beschwört: In dem Theaterstück träumt ein Produzent davon, gleich die Fortsetzung zu drehen und sich die Mühe des Ursprungsfilms zu ersparen.

Die ungelenken Erzählmanöver von „Black Adam“ verdanken sich zum Gutteil sicher der Eile, mit der Warners dem Start des zweiten „Black Panther“-Films zuvorkommen wollten. So ist ihr Film zum Garanten dafür geworden, dass Marvel auf dem Terrain des Superheldenfilms der Marktführer bleibt.

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