42. Filmfestival Max Ophüls Preis
»Borga« (2021). © Tobias von dem Borne
Das Filmfestival Max Ophüls Preis in Saarbrücken ist das wichtigste Forum des deutschsprachigen Filmnachwuchses. Zwölf Filme liefen bei der digitalen Ausgabe im Wettbewerb
»Borga« heißen in Ghana die Afrikaner, die es im fernen Europa zu etwas gebracht haben. Kojo lebt mit seinen Eltern und seinem Bruder in Agbogbloshie, einem Stadtteil der Millionenstadt Accra, und verdient wie alle dort seinen Lebensunterhalt mit dem Zerpflücken von Elektroschrott in einer Umgebung nicht nur mit prekären Verhältnissen, sondern auch mit mafiösen und patriarchalen Strukturen. Und er träumt davon, selbst ein Borga zu werden, im fernen Deutschland, wo der Onkel eines Kumpels lebt. Als er es geschafft hat, sich dorthin durchzuschlagen, nach Mannheim, erklärt ihm der Onkel, wie das Foto, das er nach Ghana schickte, zustande kam: für 50 Euro, mit einem gestellten Auto, vor einem Haus, das nicht ihm gehört. Eine der stärksten Szenen des Debütfilms von York-Fabian Raabe, ganz beiläufig erzählt. Aber Kojo, eindrücklich verkörpert von Eugene Boateng, wird seinen Weg machen, mit Anzug, deutscher Freundin (Christiane Paul) und viel Geld. Aber zu einem hohen Preis: als Drogenschmuggler.
»Borga« war zu Recht der große Gewinner des 42. Max Ophüls Preises, ein Film, der sich viel Zeit nimmt für die Familienstrukturen in Ghana, der von Erwartungen erzählt und sich in keiner crime story verliert. Die Reise nach Deutschland etwa ist kein Thema in diesem Film. »Borga« hat insgesamt vier Preise gewonnen, für den besten Spielfilm, den Preis der ökumenischen Jury, den Publikumspreis und den Preis für den gesellschaftlich relevanten Film, der an den Produzenten und Hauptdarsteller Eugene Boateng ging. So einen Preisregen auf einen Film hat man nicht in jedem Jahr.
Der zweite große Gewinner, mit drei Preisen unter anderem für die beste Regie, war »Fuchs im Bau« von dem Österreicher Arman T. Riahi, der vor drei Jahren seine bissige Komödie »Die Migrantigen« in Saarbrücken gezeigt hatte. Hannes Fuchs (Aleksandar Petrovic) ist der neue Lehrer in einer Strafanstalt für Jugendliche und soll von der kurz vor der Pension stehenden Elisabeth Berger (Maria Hofstätter) angelernt werden. Was durchaus auch Schikane für Fuchs bedeutet. Kaffee holen zum Beispiel. Wo »Borga« eher episch erzählt, wirkt »Fuchs im Bau« konzentriert, fast wie ein Kammerspiel in der Enge der Anstalt, in der Schlüssel so etwas wie Heiligtümer sind. So muss Fuchs sich mehrfach durchsetzen, nicht nur gegen die ältere Lehrerin, sondern auch gegen die Jugendlichen und die Wärter, für die der Unterricht eine Störung ihres Betriebs bedeutet. Und auf seinem Weg wird Fuchs viele Fehler machen.
Zwölf Filme, weniger als sonst, liefen in diesem Jahr in der digitalen Ausgabe des wichtigsten Treffpunkts des deutschsprachigen Filmnachwuchses, Filme, die von Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten erzählten, von Tod und Traumata, aber auch von einem ganz verrückten Trip durch die Nacht von Wien (»3Freunde2Feinde« von Sebastian Brauneis). Nicht alle waren so perfekt und mit großer Geste inszeniert wie die beiden großen Gewinner, aber gerade das machte ihren Reiz aus. »Das Massaker von Anröchte« etwa, nicht viel länger als eine Stunde, wandelt auf den Spuren von Aki Kaurismäki und Roy Andersson, wenn zwei Kriminalbeamte in einer Kleinstadt ermitteln, und hat einen ganz eigenartigen, absurden, blauen Look. »Trübe Wolken« erzählt von einem 17-jährigen Jungen, der wie ein Mensch ohne Eigenschaften wirkt, ein junger Mann, der sich verstrickt und doch immer den Verdacht von sich zu lenken weiß. Mit subtil eingesetzten Horrormotiven, die Alltägliches fremd werden lassen, hat Christian Schäfer seinen Film grundiert, für den – immerhin – Jonas Holdenrieder für sein sparsames Schauspiel geehrt wurde.
Natürlich kann eine Online-Ausgabe kein Festival für Publikum ersetzen. Aber wie so oft in den letzten Monaten zeigte sich, dass Streaming auch keine Abschreckung bedeutet. Die Veranstalter jedenfalls waren mehr als zufrieden mit der Resonanz, mit 11 000 verkauften Tickets und 590 verkauften Festivalpässen. Zählt man noch die akkreditierten Gäste dazu, wurden 40 000 Mal Filme gesichtet. Die Übertragung der Eröffnungsveranstaltung wurde live sogar von 1994 Zuschauern verfolgt. So viele muss man erst einmal in ein Kino kriegen.
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