Film des Monats Oktober: »Niemals Selten Manchmal Immer«
Schwanger. Das hätte nicht passieren dürfen, nicht in dieser provinziellen Stadt in Pennsylvania, nicht mit 17. Autumn hat keine feste Beziehung; der Junge, mit dem sie eine Affäre hatte, beschimpft sie bei einem Talentwettbewerb als slut, Schlampe. Sie lebt noch zu Hause, in bedrückenden Familienverhältnissen, der Job an der Supermarktkasse bietet keine Sicherheit. Autumn weiß genau, dass ein Baby jetzt kein Glück für sie wäre; sie will einen Abbruch. In der lokalen Klinik aber wird sie nicht nur unter Druck gesetzt, sondern über den Stand ihrer Schwangerschaft belogen. Und in ihrem Bundesstaat braucht sie für eine Abtreibung die Einwilligung der Eltern. Heimlich, begleitet von ihrer einfühlsamen Cousine, mit unterschlagenem Geld, das gerade für die Busfahrt reicht, reist sie nach New York. In der Metropole gibt es für ungewollt Schwangere, auch Minderjährige wie Autumn, Anlaufstellen. Aber als klar wird, dass sie nicht in der zehnten, sondern bereits in der achtzehnten Woche ist, kompliziert sich ihre Lage.
»Niemals Selten Manchmal Immer«, für den die amerikanische Independent-Regisseurin Eliza Hittman auf der Berlinale einen Silbernen Bären bekommen hat, behandelt in extremer Verdichtung und mit größter Umsicht ein Thema, das auch nach mehr als hundertjährigem Kampf um Geburtenkontrolle ein Minengelände ist. Nicht nur in den USA, wo konservative Staaten drohen, das im Grundsatz liberale Abtreibungsrecht auszuhebeln, sondern auch in Deutschland und auch in Teilen des protestantischen Spektrums, wo der Druck auf Abtreibungskliniken, Ärzte und Frauen wieder wächst. Hittman agitiert nicht. Über weite Strecken folgt ihr Film den Protagonistinnen auf einer trostlosen Odyssee durch Busbahnhöfe, Hamburgerläden und Warteräume – in empathischen, sinnlichen Großaufnahmen, die jede Gefühlsregung registrieren, Enttäuschung, Angst, stille Entschlossenheit. An den Rändern, im Hintergrund fangen die Bilder aber noch mehr ein: Eltern, die ihre Kinder aufgegeben haben, Männer, die gewohnheitsmäßig Frauen bedrängen, eine Gesellschaft, die an den Bedürfnissen der Jugendlichen schlicht vorbeigeht. Und es sind dieser umfassende Blick und die subtile Erzählweise, die aus »Niemals Selten Manchmal Immer« mehr als einen politischen: einen großen Film machen.
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