Interview: Roland Emmerich über seinen Film »Midway«

Roland Emmerich am Set von »Midway – Für die Freiheit« (2019). © Universum Film

Roland Emmerich am Set von »Midway – Für die Freiheit« (2019). © Universum Film

Herr Emmerich, Sie erzählen in »Midway – Für die Freiheit« von den Ereignissen rund um die Seeschlacht 1942 im Pazifikkrieg zwischen den USA und Japan. Warum sollte man sich diese Geschichte im Jahr 2019 ansehen?

Zunächst einmal, weil sie interessant ist und viele Elemente beinhaltet, die wirklich zeigen, wie das damals alles passiert ist. Und zweitens, weil überall auf der Welt der Nationalismus auf dem Vormarsch ist. Da ist es nicht verkehrt mal wieder zu erzählen, dass und wie es wegen Nationalismus zu Kriegen kam. Gerade in den USA ist gerade ein guter Zeitpunkt, die Leute daran zu erinnern, dass damals Amerikaner im Kampf für die Demokratie gestorben sind. Aber auch überall sonst auf der Welt sollten wir diese Kriege nie vergessen. Sonst wird es irgendwann einmal wieder so sein und statt 50 Millionen Menschen sterben 300 Millionen.

Haben Sie Angst davor, dass es tatsächlich demnächst mal wieder zu einem Weltkrieg kommen könnte?

In letzter Zeit durchaus. Seit zwei oder drei Jahren merke ich, dass ich plötzlich wieder über Krieg nachdenke. Und das finde ich erschreckend. Das ist nun nicht der Grund gewesen, warum ich »Midway« gedreht habe, denn den Film wollte ich schon seit 20 Jahren machen. Aber eigentlich ist es schon ganz passend, dass er erst jetzt zustande gekommen ist.

Ein wichtiges Element in Kriegsfilmen wie Ihrem ist immer der Patriotismus. Wie patriotisch sind Sie selbst – und für welches Land?

Ich habe sowohl den deutschen als auch den amerikanischen Pass und fühle mich ein bisschen als Deutsch-Amerikaner. Für Amerika hege ich auf jeden Fall patriotische Gefühle, schließlich bin sich seit fast 30 Jahren drüben. Das ist bald mein halbes Leben, und viele Dinge sind für mich dort passiert. Aber ich fühle mich auch immer noch als Deutscher. Und das ist auch gut so, denn wenn man von außen auf Amerika guckt, sieht man ja vieles ein wenig kritischer. Was habe ich für endlose Diskussionen mit Amerikanern, in denen ich ihnen klarzumachen versuche, dass wir dort irre viele Steuern zahlen, aber eigentlich nichts dafür bekommen.

Haben Sie selbst früher eigentlich bei der Bundeswehr gedient?

Ich habe mir damals immer die Schultern ausgerenkt, deswegen wurde ich nicht eingezogen. Was übrigens erst besser geworden ist, als ich dann ab einem gewissen Alter doch mal angefangen habe, ein bisschen ins Gym zu gehen. 

Aber sonst hätten Sie sich vorstellen können, für Ihr Land zur Not in den Krieg zu ziehen?

Nein, diese Mentalität ist mir fremd. Ich hätte eher Zivildienst geleistet. Mein Vater wurde mit 17 Jahren eingezogen und stand schon ein paar Monate später auf dem Schlachtfeld. Der hat uns immer erzählt, dass ihn der Zweite Weltkrieg seine Jugend gekostet hat. Er durfte nicht jung und unbeschwert sein. Das habe ich doch sehr verinnerlicht.

Woher kommt denn dann aber die Faszination für diese Männerwelt Militär, die sich durch viele Ihrer Filme zieht?

Na ja, man muss ja auch nicht Reiter sein, um sich für Western zu begeistern. Mich hat einfach immer das klassische Genre des Kriegsfilms interessiert, genau wie Science Fiction- und Katastrophenfilme. Als ich jung war, hatte diese Art des Kinos seine große Zeit, und dieser Kampf um existentielle Werte, um den es da oft ging, hat mich wohl geprägt. 

In »Midway« zeigen Sie auch Ihren legendären Kollegen John Ford, der damals vor Ort einen Dokumentarfilm drehte. Ist das in gewisser Weise Ihr Stellvertreter in dieser Geschichte?

Nö, überhaupt nicht. Statt zur Kamera wäre ich damals viel mehr der erste gewesen, der in den nächsten Bunker rennt. Aber dass dieser Hollywood-Regisseur damals ausgerechnet auf dem Midway-Atoll war, gehört einfach zur Faszination dieser Geschichte dazu.

So viel extremen Einsatz wie Ford haben Sie nie für einen Film an den Tag gelegt?

Einfach anders. Man muss als Regisseur immer mit vollem Einsatz dabei sein und einen starken Willen haben. Das ging bei mir schon in der Filmhochschule los, wo ich einfach darauf bestanden habe, einen abendfüllenden Spielfilm zu drehen. Da habe ich nicht locker gelassen bis es auch wirklich passiert ist. Und das ist auch heute noch so. Ein Nein als Antwort wird nicht akzeptiert, wenn ich ein Projekt wirklich umsetzen will. Und ich habe auch nie Angst gehabt vor großen Stoffen. Wie ich überhaupt ziemlich angstfrei bin. Weswegen es auch mit einer Ausnahme bei meinen Filmen nie einen Moment gab, der mich an meine Grenzen gebracht hätte.

Und welcher Moment war das?

Einmal hatte ich das Pech, mit einem Schauspieler zu drehen, der vollkommen auf Drogen war. Jaye Davidson, damals bei »Stargate«. Das war super hart. Einmal dachte meine Schwester, die immer als Produzentin bei meinen Filmen dabei ist, dass er an einer Überdosis gestorben sei. Sie war die letzte am Set und fand ihn regungslos, erst im Krankenhaus ist er wieder aufgewacht. Das war schrecklich. 

Weil Sie gerade Ihre mangelnde Angst vor großen Stoffen erwähnten: wie sieht es denn mit kleinen, intimen Geschichten aus? Hat der »Stonewall«-Flop von vor vier Jahren Sie diesbezüglich abgeschreckt?

Überhaupt nicht. Mir hat der Film Spaß gemacht. Und damit, dass auch mal etwas floppt, muss man in diesem Beruf immer rechnen. Aber es geht ja ohnehin nicht nur um Erfolg. Als Regisseur erschafft man sich ja auch in gewisser Weise ein Werk, und da war es mir wichtig, auch eine solche Geschichte zu erzählen, an der mein Herzblut hing.

Haben Sie sich denn die teils verheerenden Kritiken damals zu Herzen genommen?

Ach, für den Film war es einfach unglücklich, dass schon nach der Veröffentlichung des Trailers auf Twitter von »white-washing« die Rede war. Dabei waren die Stonewall-Riots jenseits von Marsha P. Johnson (einer schwarzen Dragqueen und Aktivistin, die zu einer zentralen Figur des Stonewall-Aufstands wurde, Anm. d. Red.) größtenteils weiß, das haben mir alle Zeitzeugen bestätigt, mit denen ich gesprochen habe. Der Laden war in der Hand der Mafia, die haben Afroamerikaner gehasst und deswegen gar nicht erst reingelassen. Ein Mann, mit dem ich mich über die Abende im »Stonewall Inn« damals unterhalten habe und heute ganz gut befreundet bin, hatte einen schwarzen Freund, deswegen durfte der mit rein. Aber er war dort meist die absolute Ausnahme. Dass in meinem Film überhaupt eines der Kids schwarz war, ist also eigentlich schon historisch nicht korrekt gewesen. 

Sie könnten auf jeden Fall dazu beitragen, dass auch im Mainstream-Kino endlich ganz selbstverständlich homosexuelle Protagonist*innen ihren Platz finden...

Das würde ich mir auf jeden Fall auch wünschen. So wie es in den ganzen Serien ja schon viel mehr an der Tagesordnung ist.

Genau. Warum nicht mal ein schwuler Superheld?

Oh nein, bitte kein Superheld. Also zumindest nicht von mir. Das ist wirklich so gar nicht mein Genre. Normale Menschen finde ich viel heldenhafter als irgendjemand mit Superkräften. 

Wenn schon keinen Superhelden-Film, was planen Sie denn als nächstes?

Als nächstes drehe ich einen Science Fiction-Film namens »Moonfall«. Und dann kommt hoffentlich ein Projekt namens »Shooting Star«, meine Liebeserklärung ans Filmemachen. Das ist eine Verwechslungsgeschichte in der Stummfilmzeit, über einen jungen Mann, den an ein Filmset in Hollywood verschlägt. Darin kommt natürlich auch eine schwule Figur vor, ein an Rudolph Valentino erinnernder Schauspieler. 

Meinung zum Thema

Kommentare

Warten wir mal ab, ob der Film besser wird als Tora Tora Tora des japanischen Regisseurs - Kurosawa (jap. Sicht der Geschichte um Midway) von 1970. Ich fand den Film großartig. Too much Hollywood spoils it :))

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