Kritik zu Die Schule auf dem Zauberberg
Wie lernen die Reichen? Der Dokumentarfilm begleitet Schüler eines Schweizer Elite-Internats durch den Alltag
In der ersten Einstellung des Dokumentarfilms »Die Schule auf dem Zauberberg« schwebt die Kamera aus der Vogelperspektive auf das majestätische Gebäude der »Leysin American School« zu. Dazu orientalisch anmutende Klänge und eine ins Bild rauschende, schwarze S-Klasse – und fertig ist das Vorurteil einer sündhaft teuren Privatschule in der Schweiz, wo Ölscheichs und andere Superreiche ihre Sprösslinge zu adäquaten Thronfolgern ausbilden lassen. Die Betonung liegt auf »Vorurteil«, denn das Überraschendste an Radek Wegrzyns Film ist, wie wenig er dieses Bild bedient.
Mit einer jährlichen Schulgebühr von rund 83 000 Euro ist die Schule zwar wirklich sündhaft teuer, aber im Film erscheint sie wenig elitär. Die Lehrer wirken idealistisch und zugänglich, und die Schüler zeigen sich keineswegs versnobt, sondern fast schon enttäuschend »gewöhnlich«. Das ist einerseits erfrischend, anderseits aber auch verfälschend, denn dieser Anschein ändert nichts am sozialen Status und der Tatsache, dass hier die Elite unter sich bleibt.
So mussten die Filmemacher, aller betonten Normalität zum Trotz, die Gesichter einiger Teenager verfremden, da ihre Familien »zu den mächtigsten ihrer Herkunftsländer« gehören. Fürchten sie also Neid, Entführungen und Attentate? Oder geben sie sich in der Heimat bescheiden und volksnah? Solchen Fragen geht der Film nicht nach. Wie überhaupt nur wenig hinterfragt wird. Nimmt Leysin auch Sprösslinge zwielichtiger Persönlichkeiten auf? Dient die Schule als Kaderschmiede und zum Knüpfen von Beziehungen? Warum sind Romanzen zwischen den Schülern strengstens verboten? Und vor allem: Wie sehen die Jugendlichen selbst ihre Herkunft und ihre Zukunft?
Immerhin die letzten Punkte werden ansatzweise durchgespielt, aber bezeichnenderweise nur anhand eines einzigen Schülers, der zudem aus einer vergleichsweise bodenständigen Familie kommt: Der Abiturient Berk stammt aus Istanbul, sein Vater hat eine Firma aufgebaut und will nun, dass sein Sohn es noch weiter bringt. Allerdings ist Berk alles andere als ein Musterschüler. Mit seiner schluffigen Erscheinung und Laissez-faire-Attitüde hat er eher etwas vom jungen Seth Rogen, als von der Elite von morgen. Sein Desinteresse erweist sich als passiv-aggressive Rebellion gegen die väterlichen Erwartungen. Darin unterscheidet er sich kaum von herkömmlichen Jugendlichen, was offenbar auch der Punkt des Films sein soll: Letztlich sind alle Teenager gleich. Das ist sympathisch, aber als vermeintliche Erkenntnis entschieden zu wenig, zumal der Film keinerlei Einblicke in die Haltung standesbewussterer Schüler gibt. So funktioniert »Die Schule auf dem Zauberberg« weder als erhellend-unterhaltsamer Einblick in einen exklusiven Schulkosmos noch als kritische Hinterfragung einer Elitegesellschaft. Berk findet am Ende seinen Weg, auch dank der klugen Führung durch seine Lehrer. Das ist so romantisierend wie der Filmtitel. Dazu passt, dass die eingangs beschriebene Luftaufnahme den ersten Bildern des Leysin-Imagefilms gleicht.
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