Kritik zu Piripkura
Ein beobachtender Dokumentarfilm, der einen Angestellten der brasilianischen FUNAI bei einem Besuch der letzten Überlebenden des Nomadenvolks der Piripkura in den Regenwald begleitet
Alle paar Jahre fährt Jair Candor mit dem Auto quer durch Brasilien bis in den Mato Grosso an der bolivianischen Grenze. Von dort wandert der freundliche Angestellte der nationalen Behörde zum Schutz der Indios FUNAI dann mit einigen Begleitern schwer bepackt zu Fuß weiter in ein Stück Regenwald, das bisher den umgebenden Plantagen und Viehweiden getrotzt hat. Grund dafür sind genau dieser Wald und zwei Menschen, die in ihm leben. Es sind die beiden letzten noch auf traditionelle Art lebenden Männer vom Volk der Piripkura. Gesucht werden sie aber nicht nur wegen ihres eigenen Wohlergehens. Denn die Anwesenheit von Pakyî und Tamandua ist auch Existenzsicherung für den Wald, in dem sie leben und der nur durch die Legitimierung als ihre Heimstatt vor Rodung gesichert werden kann. Deshalb muss die FUNAI ihre Anwesenheit alle paar Jahre erneut nachweisen.
Die größte Gefahr für das Leben der beiden sind nicht Hunger, Krankheit oder wilde Tiere, sondern Goldsucher und Holzfäller. Bei einem solchen Überfall haben die Piripkura vor einigen Jahren einen großen Teil ihres Volkes verloren. Überlebt hat außer den beiden Männern auch ihre Schwester und Nichte Rita, die jetzt in einer der Barackensiedlungen lebt, die die FUNAI anderswo bereitstellt. Auf Candors erster Reise in den Wald ist neben dem Filmteam auch sie dabei. Doch trotz Fähigkeiten im Spurenlesen und deutlicher Zeichen menschlicher Anwesenheit gelingt es nicht, die beiden Nomaden zwischen den Bäumen zu finden.
Im Film kontrastieren schwebende, atmosphärische Kamerafahrten durchs Gebüsch mit anstrengenden – vermutlich notgedrungenen Wackelkamerastrecken bei Fußmärschen und im täglichen Geschehen. Und als die beiden Gesuchten dann bei einer zweiten Expedition etwa zur Filmmitte wirklich aus dem Wald auftauchen und die Kamera sich auf sie einzoomt, tut das beim Zuschauen fast körperlich weh. Unbehagen bleibt, schließlich weiß man nicht, ob die anfangs gänzlich unbekleideten Männer überhaupt verstehen, was da mit ihnen geschieht. Rita als Vertraute und Übersetzerin ist bei dieser Reise nicht mehr dabei, und dem Film fehlt eine diesbezügliche selbstreflexive Ebene.
Pakyî und Tamandua sind in die Nähe der Station gekommen, weil ihr seit fast zwanzig Jahren am Leben gehaltenes Feuer erloschen ist. Sie werden wieder aufgepäppelt und dabei – wie man sieht – von ihren Unterstützern manchmal auch arg bedrängt. Doch die Hilfe ist erwünscht: Am Ende laufen die beiden mit vielen Ciao-Ciaos und grünen FUNAI-T-Shirts wieder in den Wald – und in eine höchst unsichere Zukunft. Denn die Überlebenssituation von ihnen und Hunderten anderen Völkern wird zunehmend prekär. »Ich habe Angst, dass die FUNAI irgendwann in die falschen Hände gerät und das bisschen Macht verliert, das sie noch hat«, sagt Candor. Der Moment könnte bald gekommen sein. Der neu gewählte Präsident Jair Bolsonaro hat jedenfalls schon gesagt, er werde keinen Zentimeter Rücksicht auf die Indigenen nehmen. So könnte dieser Film auch ein Abschied für immer sein.
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