Kritik zu Zoran – Mein Neffe der Idiot
Matteo Oleottos preisgekrönte Tragikomödie erzählt von einem Menschenfeind in der norditalienischen Provinz
Regionale Filmemacher sind im europäischen Kino immer noch vergleichsweise rar gesät. In Deutschland erzählt Marcus H. Rosenmüller Geschichten aus der bayerischen Provinz, in Frankreich porträtierte der Komiker Dany Boon regionale Eigenarten des französisch-belgischen Grenzlands. In Italien, vor allem in Sizilien, haben Geschichten mit konkretem Regionalbezug eine größere Tradition. Mit diesem Faible für Lokalkolorit muss man wohl auch den Publikumspreis in Venedig für Zoran – Mein Neffe der Idiot erklären – an der Hauptfigur kann es jedenfalls kaum gelegen haben.
Im Mittelpunkt des Films steht der zynische und gehässige Paolo, ein Nichtsnutz und Alkoholiker, der keine Gelegenheit auslässt, seinen Mitmenschen übel mitzuspielen. Er hasst seinen Job in der Kantine eines Altenheims, und von seiner Frau wurde er längst verlassen. Wobei man sich fragt, was sie je an ihm gefunden haben mag. Das Ganze spielt in einem Kaff im Friaul, unweit der slowenischen Grenze. Die Landschaft ist von Weinbergen und sattgrün bewaldeten Hügeln geprägt, aber der Himmel ist meist grau verhangen, die Sonne scheint kein einziges Mal. Mediterrane Idylle sieht anders aus.
Und doch ziehen einen die nüchternen Bilder von verregneten Wiesen und trostlosen Dorfkneipen auf ebenso eigentümliche Weise in den Bann, wie die Hauptfigur: Der Hauptdarsteller Giuseppe Battiston, bekannt vor allem durch die Filme Silvio Soldinis, spielt Paolo völlig ungebrochen als Unsympath und Widerling. Das größte Problem des Films liegt denn auch in der Diskrepanz zwischen seiner Interpretation der Figur und einer Regie, die Paolos Gemeinheiten eben doch manchmal als kauzig-witzig inszenieren will – was einen als Zuschauer eher peinlich berührt. Dafür geben die beiläufig skizzierten, liebevollen Porträts anderer Dorfbewohner und ihrer kleinen Hobbys, etwa in einem Mundartgesangsverein, der Geschichte die nötige menschliche Wärme.
Ein wenig Bewegung kommt in Paolos Leben, als er sich nach dem Tod seiner slowenischen Tante um seinen bis dahin unbekannten Neffen kümmern muss: Bis zu seiner Aufnahme in einem Jugendheim soll der 16-jährige Zoran fünf Tage lang bei ihm wohnen. Der Junge wirkt durch seine nerdige Erscheinung und seine introvertierte Art leicht zurückgeblieben. Erst als Zoran sich als außerordentliches Talent im Dart-Spielen erweist, wittert Paolo ein großes Geschäft.
Glücklicherweise macht das Drehbuch aus dieser Konstellation kein erbauliches Rührstück à la Rain Main. Von einer Annäherung der beiden ungleichen Typen kann bis zur vorletzten Szene keine Rede sein. Oleottos Film funktioniert denn auch vor allem als Porträt eines Mannes, dessen Selbsthass sich in Hass auf die ganze Welt verwandelt hat. Dass Paolo am Ende einmal nichts Ungutes tut, muss man bereits als Fortschritt betrachten. Man fragt sich zwar fortwährend, warum einen dieser Mensch interessieren sollte. Aber trotzdem will man wissen, wie es mit ihm weitergeht.
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