Interview: Ulrich Thomsen über seine Rolle in »Verdacht/Mord«
Ulrich Thomsen in »Verdacht/Mord« (Staffel 1, 2019). © Henrik Ohsten/Miso Film
Ulrich Thomsen: Der 1963 in Odense geborene Däne ist spätestens seit seinem Auftritt in Thomas Vinterbergs Dogma-Beitrag »Das Fest« (1998) aus dem europäischen Kino und Fernsehen nicht mehr wegzudenken
Herr Thomsen, Sie spielen in »Verdacht/Mord« einen Ermittler, der nicht uneingeschränkt der Gute ist in dieser Geschichte. Lag darin für Sie der Reiz als Schauspieler?
Natürlich war das ein Aspekt. Dass die Guten als Figuren immer ein bisschen langweiliger sind als die Bösen, ist nichts Neues. Als der Sympathieträger war man früher recht eingeschränkt, weil es unbedingt galt, das Publikum nicht zu verschrecken. Als Gegenspieler hatte man immer schon mehr Freiheiten, weil man am Ende eh meistens draufging. Aber ich finde es interessant, wie es sich mittlerweile, gerade in Serien, etabliert hat, dass die Guten im Verlauf einer Geschichte eigentlich immer mehr Abgründe offenbaren und die Bösen immer sympathischer werden. Dass man bei Bjørn spätestens in der zweiten Folge merkt, dass er mindestens als Vater alles andere als makellos war, war auf jeden Fall einer der Aspekte, die mich an dieser Serie interessierten.
Was waren die anderen Gründe für Ihre Zusage?
Das Format erschien mir ungewöhnlich. Jede Folge hat bloß 25 bis 30 Minuten und ist im Grunde eine einzige, ausführliche Szene. Mitunter haben wir sogar fast die ganze Folge in einer einzigen Einstellung gedreht. Das hatte fast etwas von der Arbeit, wie man sie beim Theater kennt. Weit weg auf jeden Fall von stereotypen Krimiserien, in denen eine Szene die nächste jagt und alles schnell geschnitten ist, inklusive Verfolgungsjagd, Crash und des obligatorischen Moments, in dem sich eine junge Frau ihr Oberteil auszieht.
Apropos Krimiserien: Die sind aus dem deutschen Fernsehen nicht wegzudenken . . .
Das ist mir natürlich bekannt. Ich bin ja im Süden Dänemarks aufgewachsen, wo wir – anders als in Kopenhagen – keine schwedischen Sender empfangen konnten, aber dafür deutsche. Also zumindest ARD und ZDF, etwas anderes gab es ja damals nicht. Ich bin also groß geworden mit Sachen wie »Der Alte«, durch die ich nebenbei auch noch mein Schuldeutsch aufgebessert habe. Aber dass die Leute gern Mord und Totschlag sehen, ist kein rein deutsches Phänomen, sondern weltweit der Fall.
Weil wir uns auf diese Weise vergewissern, dass das Leben anderswo gefährlicher ist als die eigene Realität?
Ach, ich glaube, es ist viel simpler: Wir lösen alle gern Rätsel. Ein bisschen grübeln und überlegen, wer der Täter sein könnte, ist einfach ein angenehmer Weg, sich unterhalten und von der anstrengenden Arbeitswoche ablenken zu lassen. Es braucht keine tiefschürfende Erklärung für den anhaltenden Krimiboom.
Zurück zu »Verdacht/Mord«, wo Sie von Christoffer Boe über Nikolaj Lie Kaas bis Trine Dyrholm von lauter Menschen umgeben waren, mit denen Sie schon sehr oft zusammengearbeitet haben. Ist das immer nur hilfreich, oder verfällt man da leicht in Routine?
Im Gegenteil, es hilft eigentlich immer, sein Gegenüber schon gut zu kennen. Denn dann herrscht da Vertrauen, und man kann viel offener miteinander sein. Zu wissen, dass die Chemie stimmt und man sich auf den anderen verlassen kann, ist Gold wert. Das sage ich nicht nur als Schauspieler, sondern auch als jemand, der nun schon zwei Mal Regie geführt hat. Immer wieder mit denselben Leuten zu arbeiten, macht Sinn.
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