Frauen-Filmtage: Emanzipationsgeschichte
»Hindle Wakes« (1927)
Ein junges, neues Festival, veranstaltet von einer »ehrwürdigen« Institution: Zum zweiten Mal lud die Frankfurter Kinothek Asta Nielsen zu den Frauen-Filmtagen »Remake« ein
Frauen, Geschlechterverhältnisse, Emanzipation, Aspekte des Queer Cinema und ein anderer Blick auf Migration, Kolonialismus und Rassismus: Das ist der thematische Rahmen der Frankfurter Frauenfilmtage. Schon der Name des Festivals – »Remake« – drückt aus, dass hier die Vergangenheit, die Filmgeschichte, ins Visier genommen, zugänglich gemacht und unter dem Aspekt ihrer Relevanz für die Gegenwart betrachtet wird.
Ende November ging das 2018 erfolgreich etablierte »Remake« in die zweite Runde. An sechs Tagen war in der »Pupille«, dem Kino in der Uni in Frankfurt-Bockenheim, ein vielfältiges Programm zu sehen. Ein Schwerpunkt war »HerStory im Kino«, eine Reihe, die deutlich machen sollte, wie unterschiedlich Filme mit Geschichte umgehen. Epochen und Genres verflochten sich dabei. In Julie Dashs Drama »Daughters of the Dust« (1991) wird etwa von drei Generationen von Gullah-Frauen erzählt, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts entschließen, von Saint Helena Island ans Festland zu emigrieren. Während dieser Film erfahren lässt, dass es andere Verhältnisse zum Leben der Vorfahren und somit auch unterschiedliche Geschichtsauffassungen gibt, entschließt sich in »The Ballad of Little Jo« (1993) die Protagonistin dazu, von nun an als Mann zu leben, weil es das Leben im Wilden Westen der 1850er leichter macht.
Ein weiterer Themenschwerpunkt war KIWI, die feministische Organisation Kino Women International, die von 1987 bis 1990 in verschiedenen Städten Osteuropas Kongresse und Filmschauen veranstaltete. Zeitzeuginnen und Akteurinnen von KIWI waren angereist, um über ihre Erfahrungen zu sprechen. Im Programm liefen dazu »Einige Interviews zu persönlichen Fragen« (1978) von Lana Gogoberidze, der in einer Vielzahl von Frauenporträts unter anderem Fragen nach Emanzipation und traditionellen Rollenerwartungen stellt, und Sally Potters »I Am an Ox, I Am a Horse, I Am a Man, I am a Woman«, der sich auf die Suche nach der Filmarbeit von Frauen in der sowjetischen Filmindustrie begibt.
Die Frankfurter Collagekünstlerin, Fotografin, Malerin, Filmemacherin und Filmaktivistin Ella Bergmann-Michel (1895–1971), die lange Zeit in Vergessenheit geraten war, fand ebenfalls viel Beachtung. Ihre fünf kurzen dokumentarischen Filme, etwa Wo wohnen alte Leute?, Erwerbslose kochen für Erwerbslose und Wahlkampf 1932 (»Letzte Wahl«), zeichnen lebendige Porträts der Stadt Frankfurt in den Jahren vor der nationalsozialistischen Machtergreifung. Bergmann-Michel ging es aber nicht nur darum, Filme zu machen, sondern auch darum, Filme zu zeigen. Nach ihrem Berufsverbot 1933 sollte sie nie wieder selbst drehen. Stattdessen verschrieb sie sich nach dem Krieg der (Wieder-)Herstellung einer engagierten, geschichtsbewussten Filmöffentlichkeit.
Eines der Highlights der Filmtage war sicherlich die Vorführung von »Hindle Wakes«, einem britischen Stummfilm von 1927, im Schauspiel Frankfurt. Die niederländische Komponistin und Pianistin Maud Nelissen, die eigens für das Festival eine neue Musik zu dem Film komponiert hatte, war mit Ensemble zur Welturaufführung ihres Werks gekommen. Der Film selbst, inszeniert von Maurice Elvey, wirkt erfrischend modern. Er erzählt von der jungen Fanny Hawthorne, die in einer Baumwollspinnerei arbeitet und beim jährlichen Ferienausflug der Fabrik im Vergnügungsort Blackpool eine Affäre mit dem Sohn des Fabrikbesitzers beginnt. Aus Sicht der bestürzten Eltern kann eine Hochzeit Fannys Ehre retten. Alle sind damit einverstanden: beide Elternpaare, der Ehemann in spe – nur Fanny weigert sich zur Überraschung aller, ihre Freiheit wegen einer kleinen Affäre aufzugeben. Die damals aufsehenerregende Emanzipationsgeschichte ist ein Dokument der Frauenbewegung des beginnenden 20. Jahrhunderts, die auf sexuelle Selbstbestimmung drängte. Zugleich beschreibt der Film die Arbeitssituation in der englischen Baumwollindustrie.
Ausgrabungen wie diese lassen hoffen, dass das vom Kinothek Asta Nielsen e.V. – er hat gerade sein 20-jähriges Bestehen gefeiert –
veranstaltete »Remake«-Festival sich auf lange Sicht etablieren kann.
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