Michael Ballhaus: Meister der kreisenden Kamera
Foto: Amrei-Marie
Der Kameramann Michael Ballhaus zählte zu den international bekanntesten deutschen Filmschaffenden. Er hatte fast 100 Kinofilme gedreht, die Mehrzahl davon in Hollywood, darunter sieben Filme mit Martin Scorsese. In Deutschland erinnert man sich besonders an Ballhaus' enge Zusammenarbeit mit Rainer Werner Fassbinder. Nun ist Ballhaus Medienberichten zufolge in der Nacht auf Mittwoch im Alter von 81 Jahren gestorben.
Geboren wurde er 1935 in Berlin, er stammte aus einer Theaterfamilie. Über die Fotografie kam er zur Filmkamera und arbeitete zunächst ab 1960 für das Fernsehen, den Südwestfunk in Baden-Baden. Durch einen Zufall übernahm Ballhaus 1970 die Kamera für Fassbinders »Whity«, ein kurioses Melodram, das 1878 im Westen der USA spielt. Am Anfang war die Zusammenarbeit zwischen dem Schon-Profi Ballhaus und dem Noch-Amateur Fassbinder schwierig. Sie stritten sich über fast jede Einstellung, erzählte Ballhaus einmal in Interviews.
Sie haben dann doch schnell zueinander gefunden und bis 1978 zusammen 15 Filme gemacht, Meisterwerke wie »Martha« (1973), »Despair« und »Die Ehe der Maria Braun« (beide 1978). Auch »Welt am Draht« entstammt dieser Zeit, der TV-Zweiteiler von 1973 - ein Science-Fiction-Film, der unter die Haut geht. Aber, wie Ballhaus später aufgrund seiner Hollywood-Erfahrungen wohl zu selbstkritisch sagte: Es entstand auch »viel Schrott«.
In der Auseinandersetzung mit Fassbinder hatte Ballhaus seinen eigenen Stil vervollkommnet. Er liebte komplizierte Kamerafahrten, aber nicht als Selbstzweck, sie sollten der Geschichte dienen. Immer wieder zitiert wird die 360-Grad-Fahrt um Margit Carstensen und Karlheinz Böhm in »Martha«, wenn die beiden sich durch Zufall zum ersten Mal treffen. Die Schauspieler drehen sich außerdem einmal um die eigene Achse. Die Dynamik dieser Einstellung signalisiert ohne ein Wort der Erläuterung, dass dies eine schicksalhafte Begegnung ist. Ballhaus' Maxime, die Kamera soll erzählen, was sich in Worten nicht sagen lässt, ist hier ideal erfüllt. Legendär wurde später auch die Kamerafahrt um die singende Michelle Pfeiffer in »Die fabelhaften Baker Boys« (1989).
Der zweite große Einschnitt in der Berufslaufbahn von Michael Ballhaus war sein USA-Start, auch hier half der Zufall nach. Er sprang 1982 bei »Dear Mr. Wonderful« als Kameramann bei Peter Lilienthal ein, den er aus Deutschland kannte. Zuerst wurden Independent-Regisseure auf ihn aufmerksam, bald auch Martin Scorsese, mit dem er dann 1985 »Die Zeit nach Mitternacht« drehte.
Von Anfang war es eine ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen zwei Profis, zwei Künstlern. Sie haben berühmte Filme gemacht, »Die letzte Versuchung Christi«, »Good Fellas«, »Gangs of New York« oder »Departed: Unter Feinden«. Ballhaus drehte aber auch mit Mike Nichols, Robert Redford, Francis Ford Coppola oder Wolfgang Petersen – Filme aller Genres. Er erhielt viele US-amerikanische und deutsche Preise, den Oscar aber nie – obwohl er dreimal nominiert war. Als erster Deutscher wurde von der American Society of Cinematographers für sein Lebenswerk ausgezeichnet.
2007 hat er Hollywood den Rücken gekehrt, »Departed: Unter Feinden« war 2006 sein letzter Film dort. Das hing wohl auch mit dem Tod seiner Frau Helga zusammen, die im Herbst 2006 in Los Angeles starb, über Jahrzehnte seine wichtigste Mitarbeiterin. Die Söhne Sebastian und Florian gehörten ebenfalls zum Team. Hauptgrund für seinen Rückzug war aber seine Erblindung durch den Grünen Star. Er hat aber weiter Filmstudenten unterrichtet und war nach wie vor sozial aktiv. So gründete er das Ballhaus-Projekt, eine Initiative zum Klimaschutz.
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