Kritik zu Whitney: Can I Be Me
Der britische Dokumentarist Nick Broomfield rekonstruiert aus Archivmaterial und Interviews das kurze Leben und die Karriere der Sängerin Whitney Houston, die 2012 erst 48-jährig starb
Wer hat Whitney Houston umgebracht? Keine abwegige Frage für jemanden, der »Kurt & Courtney« und »Biggie & Tupac« gesehen hat, die beiden vorangegangenen Filme, in denen der britische Dokumentarfilmer Nick Broomfield den spektakulären Todesfällen von Pop-ikonen nachging. Whitney Houston starb 2012 im Alter von nur 48 Jahren, Drogenmissbrauch dürfte dabei eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben.
Ihre Musikerkarriere ist Legende: Das Kind aus dem Ghetto, dessen musikalisches Talent früh gefördert wird (ihre Mutter ist die Background- und Gospelsängerin Cissy Houston, Dionne Warwick ist ihre Cousine), hat mit 19 Jahren den ersten Fernsehauftritt. Ihr Debütalbum verkauft sich allein in den USA 13 Millionen Mal und wirft drei Numer-1-Hitsingles ab. Vom Boss ihres Plattenlabels wird ihre Musik anfangs auf eher weichgespülten Pop getrimmt, was ihr bei einer Preisverleihung für farbige Musik 1989 Buhrufe einträgt, erst später kann sie sich Richtung R&B durchsetzen – vielleicht auch ein Verdienst des Musikers Bobby Brown, der Teil ihrer Tour wird und den sie 1998 heiratet. Dass beide damit ihren jeweiligen Drogenkonsum (Alkohol bzw. Kokain) befördern, ist eine andere Sache. Auch kommt es immer häufiger zu Auseinandersetzungen zwischen Brown und Whitneys engster Vertrauter, ihrer Jugendfreundin Robyn Crawford, die sich schließlich zermürbt zurückzieht. Die Regenbogenpresse spekuliert über ein lesbisches Verhältnis; ohne ihre engste Vertraute greift Whitney immer mehr zu Drogen, was ihr Umfeld geflissentlich ignoriert. Zu den eindringlichsten Statements gehören die ihres britischen Leibwächters, dessen entsprechender Bericht ignoriert und mit seiner Kündigung quittiert wurde – das verhängnisvolle Konstrukt einer Entourage, die von einem Star abhängig ist und deshalb weniger dessen Wohlergehen als den kommerziellen Erfolg im Auge hat.
»Whitney: Can I Be Me« kombiniert Statements mit Archivmaterial: Neben einigen Bühnenauftritten, gefilmt während ihrer 1999er-Europatournee vom österreichischen Popdokumentaristen Rudi Dolezal für eine unvollendete Doku (weshalb er als Koregisseur genannt ist), und verspielten Home-Movies stehen eindringliche Momente bei bohrenden Interviewfragen von Oprah Winfrey, Diane Sawyer und Barbara Walters. Würde man nicht einige Male die fragende Stimme von Nick Broomfield aus dem Off hören, so könnte man Zweifel bekommen, ob dies ein Film von ihm ist, denn Broomfields Markenzeichen war lange die Verfolgung seiner Protagonisten mit der Kamera, die dabei auch immer wieder ihn selber im Bild zeigte – »Tracking Down Maggie« (über Margaret Thatcher) war insofern ein programmatischer Titel. Die zentralen Figuren kommen hier allerdings nur in Archivaufnahmen zu Wort. »Whitney: Can I Be Me« ist ein grundsolider, informativer Dokumentarfilm ohne den Drive der sonstigen Arbeiten von Broomfield. Am Ende muss man sich doch wieder fragen, wer für den Tod von Whitney Houston verantwortlich war.
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