Kritik zu Staub auf unseren Herzen
Susanne Lothar in ihrer letzten Filmrolle: Hanna Doose erzählt in ihrem Spielfilmdebüt von einer schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung und dem Emanzipationsprozess einer jungen Frau
Dies ist ein Frauen-Film; die Männer spielen – obschon sie wichtig sind – am Ende doch nur Nebenrollen. Susanne Lothar brilliert als grimmig disziplinierte Übermutter; an ihrer Seite ist Stephanie Stremler zu sehen, die eine der »Spielwütigen« in Andres Veiels gleichnamigem Dokumentarfilm war. Staub auf unseren Herzen wird getragen von der Schauspielkunst der beiden Frauen und ihrer Bereitschaft zu improvisieren. Hanna Doose, die mit dem Film ihren Abschluss an der Berliner Filmhochschule DFFB vorlegt, hat ihren Akteuren kein Drehbuch gegeben, lediglich ein ausführliches Treatment. In den improvisierten Szenen sind zwei Persönlichkeiten zu erleben, die mit den Rollen sicher nicht identisch sind, aber doch viel Eigenes hineintragen. Das fängt mit dem Kräfteverhältnis an: Susanne Lothar war bis zu ihrem Tod im Juli letzten Jahres eine der Großen des deutschsprachigen Films und der deutschsprachigen Bühnen; Stephanie Stremler dagegen ist kaum bekannt. Eine ähnliche Asymmetrie gibt es auch in der Mutter-Tochter-Beziehung, von der der Film erzählt.
Kathi (Stremler) ist schon dreißig und alleinerziehende Mutter eines vierjährigen Sohnes, hat bislang aber weder beruflich noch privat so richtig Fuß fassen können. Als Schauspielerin ist sie erfolglos und finanziell immer noch abhängig von ihrer Mutter Chris (Lothar). Die arbeitet als »Lebensberaterin« und hat auch ihr eigenes Leben unerbittlich fest im Griff. Die unterschiedlichen Charaktere lassen sich auch an den Körpern der Frauen ablesen: dem mageren Willenskörper der Lothar, der fragil und stählern gleichermaßen aussieht; ein Kostümjäckchen kleidet Chris wie eine rosa Rüstung. Stremlers Körper dagegen wirkt weich und kindlich wie der eines Mädchens zu Beginn der Pubertät.
Wenn die beiden zusammen sind, lassen sich die Machtmechanismen studieren, die zwischen Menschen wirken (können), die sich lieben. Sehr viel Wahres, gut Beobachtetes ist in den Szenen. Susanne Lothar zeigt in ihrer letzten Filmrolle noch einmal, was für eine Extremschauspielerin sie war. In der Kontrollwut der Mutter lässt sie tiefe Verzweiflung spüren. Auch Chris steckt fest in der Vergangenheit, was man schon an den Kinderzeichnungen sieht, die in ihrer Wohnung immer noch hängen. Und man merkt es auch, als ihr Exmann Wolfgang (Michael Kind) wieder in der Stadt auftaucht und um Chris wirbt.
Die große Explosion, die sich entwickeln könnte, bleibt aus – die Gesellschaftsdiagnose des Films mildert das keineswegs: 30-Jährige, die noch Kinder sind; 50-Jährige, die sich wie 30-Jährige fühlen wollen – Hanna Doose kritisiert ihre eigene Generation ebenso wie die ihrer Eltern. Dies allerdings so sanft und dezent, wie auch Kathi Konflikte angeht. Erst am Ende wird Kathi laut (und der Film ein wenig zu deutlich): »Staub ist der einzige Dreck, der uns was anhaben kann«, singt sie. Gemeint ist der Staub, der sich ansammelt, wenn sich zu lange zu wenig bewegt.
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